Vor einigen Wochen hatten wir zu diesem Thema ein Interview mit Rechtsanwalt MauriceHögel geführt, das wir hier gerne nochmals unseren Usern zur Kenntnis bringen wollen:
Genussrechte, Zahlungsaussetzung, Nachrangklausel – Interview mit Rechtsanwalt Maurice Högel
Genussrechte können eine attraktive Anlageform sein, doch sie bringen auch Risiken mit sich, insbesondere bei Zahlungsaussetzungen. Das Verbraucherschutzforum Berlin sprach mit Rechtsanwalt Maurice Högel von den BEMK Rechtsanwälten in Bielefeld über die rechtliche Lage und die Handlungsmöglichkeiten für Anleger, wenn Emittenten von Genussrechten regelmäßige Zahlungen stoppen.
Verbraucherschutzforum Berlin: Wenn Genussrechtsemittenten monatliche Zinszahlungen einstellen, müssen sich die Anleger dann Sorgen machen?
Rechtsanwalt Högel: Der Stopp von Zahlungen ist sicher kein Zeichen für aktuelle Gewinne, muss aber nicht zwangsläufig ein Fiasko bedeuten. Es kann sich dabei auch um eine vertraglich geregelte Option handeln, die dem Schutz des Unternehmens dient.
Verbraucherschutzforum Berlin: In welchem Zusammenhang kann eine Zahlungsaussetzung vertraglich geregelt sein?
Rechtsanwalt Högel: Zwei wesentliche Aspekte kommen infrage:
- Gewinnabhängige Zinsen: Bei Genussrechten, die an den Gewinn des Emittenten gekoppelt sind, entfällt die Zahlung, wenn es keine aktuellen Gewinne gibt. Das ist dann kein Hinweis auf den Verlust des Genussrechtskapitals, sondern ein vorübergehender Ausfall.
- Qualifizierte Nachrangklauseln: Diese Klauseln können greifen, wenn Zahlungen die wirtschaftliche Existenz des Emittenten gefährden könnten. In solchen Fällen werden die Ansprüche der Anleger temporär nachrangig behandelt, um eine Insolvenz zu verhindern.
Verbraucherschutzforum Berlin: Was genau regelt eine qualifizierte Nachrangklausel?
Rechtsanwalt Högel: Eine qualifizierte Nachrangklausel hat mehrere Funktionen. Eine wichtige Regelung ist die insolvenzverhindernde Wirkung. Das bedeutet, dass vertragliche Zahlungen ausgesetzt werden können, wenn sie die Zahlungsfähigkeit des Emittenten gefährden würden. Diese Klausel gibt dem Emittenten Raum, um notwendige Maßnahmen wie eine Restrukturierung oder Sanierung umzusetzen.
Verbraucherschutzforum Berlin: Droht durch solche Zahlungsaussetzungen nicht dennoch eine Insolvenz?
Rechtsanwalt Högel: Nein, gerade das Gegenteil ist der Fall. Die Aussetzung soll die Insolvenz verhindern. Es wird dem Emittenten bewusst Spielraum gegeben, um seine wirtschaftliche Situation zu stabilisieren und langfristig wieder handlungsfähig zu werden.
Verbraucherschutzforum Berlin: Was ist in einer solchen Situation für Anleger und Vertrieb besonders wichtig?
Rechtsanwalt Högel: Ein offener Dialog ist entscheidend – sowohl mit dem Emittenten als auch mit dem Vertrieb. Der Vertrieb steht oft an der Front und muss unangenehme Fragen der Anleger beantworten, obwohl er selbst keinen Einfluss auf die wirtschaftliche Lage des Emittenten hat.
Für Anleger ist es wichtig, keine überstürzten Entscheidungen zu treffen. Zwar werben Verbraucheranwälte bei Zahlungsaussetzungen häufig um Mandate, doch nicht jede rechtliche Maßnahme ist sinnvoll. Jeder Einzelfall sollte sorgfältig geprüft werden, um realistische Ziele und Erfolgsaussichten zu bewerten.
Fazit: Besonnen handeln statt vorschnell reagieren
Zahlungsaussetzungen bei Genussrechten sind ernst zu nehmen, aber sie sind nicht zwangsläufig ein Zeichen für den Untergang des Emittenten. Qualifizierte Nachrangklauseln können ein effektives Mittel sein, um eine Insolvenz abzuwenden und die Zukunftsfähigkeit eines Unternehmens zu sichern.
Für Anleger gilt: Ruhe bewahren, die Verträge genau prüfen und sich bei Unsicherheiten rechtlich beraten lassen. Rechtsanwalt Maurice Högel empfiehlt, in solchen Fällen strategisch vorzugehen und realistische Lösungen anzustreben, die den langfristigen Erhalt des Kapitals unterstützen.