Moderator: Herr Högel, die reconcept Solar Bond Deutschland III-Anleihe bietet Anlegern einen festen Zinssatz von 6,5 % p.a. über sechs Jahre. Die Emittentin wirbt mit Nachhaltigkeit und einer Beteiligung am Photovoltaik-Wachstumsmarkt. Was sollten Anleger vor einem Investment in diese grüne Anleihe bedenken?
Maurice Högel: Vielen Dank für die Einladung. Der reconcept Solar Bond III mag auf den ersten Blick als nachhaltige und chancenreiche Investition erscheinen – mit dem Fokus auf den boomenden deutschen Photovoltaik-Markt. Aber hinter dieser attraktiven Fassade verbergen sich auch erhebliche Risiken. Anleger sollten sich bewusst sein, dass diese Unternehmensanleihe nicht nachrangig, aber auch nicht besichert ist. Das bedeutet: Im Insolvenzfall der Emittentin besteht ein Totalverlustrisiko.
Moderator: Können Sie uns erklären, was genau „nicht besichert“ bedeutet und welche Konsequenzen das für die Anleger hat?
Högel: Eine „nicht besicherte“ Anleihe bedeutet, dass keine Vermögenswerte als Sicherheit für die Anleihe hinterlegt wurden. Sollte die reconcept Solar Deutschland GmbH zahlungsunfähig werden – zum Beispiel aufgrund von Problemen bei den geplanten Photovoltaik-Projekten oder externen Marktbedingungen – haben die Anleihegläubiger keine vorrangigen Rechte, auf bestimmte Vermögenswerte zurückzugreifen, um zumindest einen Teil ihres Kapitals zurückzuerhalten. Sie stehen in der Insolvenz gleichberechtigt mit anderen nicht besicherten Gläubigern und hinter besicherten Forderungen. In der Praxis führt das oft zu einem Totalverlust für die Anleger.
Moderator: Aber der deutsche Photovoltaik-Markt wächst doch stark. Warum ist das Risiko trotz der positiven Marktentwicklung so hoch?
Högel: Es stimmt, dass der deutsche Solarmarkt derzeit boomt. Aber genau das birgt auch Herausforderungen: Es herrscht ein harter Wettbewerb unter Projektentwicklern, steigende Kosten für Material, Personal und Grundstücke belasten die Margen, und der Erfolg hängt stark von der Fähigkeit ab, Projekte rechtzeitig fertigzustellen und ans Netz zu bringen. Die reconcept Solar Bond III wird verwendet, um Projekte bis zum sogenannten „Ready-to-build“-Status zu entwickeln. Das bedeutet, dass die Projekte noch nicht gebaut oder in Betrieb sind, sondern erst in einer sehr frühen Phase der Entwicklung stehen. Projektverzögerungen, Genehmigungsprobleme oder unvorhergesehene Kostensteigerungen könnten den Erfolg der geplanten Projekte gefährden – und damit auch die Rückzahlung der Anleihe.
Moderator: Der Zinssatz von 6,5 % erscheint attraktiv. Kann man daran etwas über das Risiko ablesen?
Högel: Absolut. Ein Zinssatz von 6,5 % über sechs Jahre klingt zunächst nach einer lohnenden Rendite. Doch dieser Zinssatz ist genau genommen eine Risikoprämie. Unternehmen, die sich zu niedrigen Zinsen finanzieren können – beispielsweise große, etablierte Firmen oder staatliche Emittenten – zahlen oft weniger als 2 % Zinsen. Wenn ein Unternehmen wie die reconcept Solar Deutschland GmbH deutlich höhere Zinsen anbieten muss, liegt das daran, dass es ein höheres Risiko gibt, dass die Anleihe nicht wie geplant bedient werden kann. Anleger sollten sich fragen: Warum bietet das Unternehmen so hohe Zinsen an?
Moderator: Gibt es weitere Besonderheiten dieser Anleihe, die Anleger beachten sollten?
Högel: Ja, einige Punkte sind kritisch:
- Laufzeit und Handelbarkeit: Die Anleihe läuft über sechs Jahre und wird voraussichtlich erst im Oktober 2025 in den Handel im Open Market der Börse Frankfurt einbezogen. Das bedeutet, dass die Handelbarkeit der Anleihe begrenzt sein könnte. Anleger, die vorzeitig verkaufen möchten, könnten Schwierigkeiten haben, einen Käufer zu finden, oder müssten Abschläge in Kauf nehmen.
- Verwendung der Mittel: Das Kapital wird hauptsächlich für die Entwicklung von Projekten verwendet, die erst zukünftig Einnahmen generieren sollen. Es gibt keine Garantie, dass diese Projekte wirtschaftlich erfolgreich sind.
- Sonderkündigungsrechte der Emittentin: Ab 2028 hat die Emittentin das Recht, die Anleihe vorzeitig zurückzuzahlen – allerdings nur zu leicht erhöhten Rückzahlungsbeträgen. Anleger könnten also frühzeitig aus der Anleihe gedrängt werden, während sie selbst keine Möglichkeit haben, das Investment vorzeitig zu beenden.
- Kein Schutz durch Sicherheiten: Wie bereits erwähnt, gibt es keine besicherten Vermögenswerte, auf die Anleger im Notfall zurückgreifen könnten.
Moderator: Was würden Sie Anlegern empfehlen, die sich trotzdem für diese Anleihe interessieren?
Högel: Wenn Anleger den reconcept Solar Bond III in Betracht ziehen, sollten sie zunächst den vollständigen Wertpapierprospekt gründlich lesen und verstehen. Der Prospekt enthält alle relevanten Informationen über Risiken, die finanzielle Situation der Emittentin und die Verwendung der Mittel.
Darüber hinaus ist es ratsam, einen unabhängigen Finanz- oder Rechtsberater zu konsultieren, um das Risiko richtig einschätzen zu können. Anleger sollten nur Geld investieren, dessen Verlust sie sich leisten können, denn bei Unternehmensanleihen wie dieser gibt es keine Garantie für die Rückzahlung des Kapitals oder der Zinsen.
Zusätzlich sollten Anleger das Investment mit anderen Optionen vergleichen, die möglicherweise ein besseres Risiko-Rendite-Verhältnis bieten – beispielsweise Fonds, die breit in den Solarmarkt investieren.
Moderator: Herr Högel, wie lautet Ihr Fazit zur reconcept Solar Bond III?
Högel: Mein Fazit ist: Die reconcept Solar Bond III-Anleihe bietet hohe Zinsen, aber auch erhebliche Risiken, bis hin zum Totalverlust. Besonders kritisch sehe ich, dass die Anleihe unbesichert ist und die Rückzahlung des Kapitals von der erfolgreichen Entwicklung und Fertigstellung der Solarprojekte abhängt. Wer investieren möchte, sollte dies nur mit größter Vorsicht und nach sorgfältiger Prüfung tun. Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Ziel, aber sie darf die wirtschaftlichen Risiken für Anleger nicht verschleiern.
Moderator: Vielen Dank, Herr Högel, für Ihre klare Einschätzung und die wertvollen Hinweise.
Högel: Sehr gern, ich hoffe, dass Anleger durch Aufklärung fundierte Entscheidungen treffen können.