Moderator: Herr Högel, die Netfonds AG plant die Emission einer Unternehmensanleihe mit einem Zinssatz von 6,25 % bis 7,00 % und einer Laufzeit von fünf Jahren. Warum sollten sich Anleger genau überlegen, ob sie in solche Schuldverschreibungen investieren?
Maurice Högel: Vielen Dank für die Frage. Unternehmensanleihen wie die der Netfonds AG bieten zwar auf den ersten Blick attraktive Zinssätze, aber sie bergen auch erhebliche Risiken, die Anleger oft unterschätzen. Das wichtigste Risiko, das potenzielle Investoren hier verstehen müssen, ist das Totalverlustrisiko.
Moderator: Was genau bedeutet Totalverlustrisiko?
Högel: Das Totalverlustrisiko bedeutet, dass Anleger im schlimmsten Fall ihre gesamte Investition verlieren könnten. Das passiert, wenn das Unternehmen, das die Anleihe emittiert, zahlungsunfähig wird und nicht mehr in der Lage ist, die Zinsen oder den Rückzahlungsbetrag zu leisten. Bei der Anleihe der Netfonds AG handelt es sich um eine nicht besicherte Schuldverschreibung, was bedeutet, dass keine Sicherheiten hinterlegt sind, die im Falle einer Insolvenz verwertet werden könnten. Anleger stehen also im Insolvenzfall nachrangig hinter gesicherten Gläubigern und anderen Forderungen – und das Risiko eines vollständigen Verlusts ist entsprechend hoch.
Moderator: Aber die Anleihe bietet doch einen relativ hohen Zinssatz von bis zu 7 %, was viele Anleger als Chance sehen könnten.
Högel: Das ist korrekt, ein Zinssatz von bis zu 7 % ist attraktiv. Allerdings ist er ein Indikator dafür, dass die Emittentin – in diesem Fall die Netfonds AG – eine höhere Risikoprämie bieten muss, um Investoren anzulocken. Diese höheren Zinssätze gibt es nämlich nur, weil das Risiko eines Zahlungsausfalls größer ist als bei besser abgesicherten Investments, wie zum Beispiel Staatsanleihen oder besicherten Unternehmensanleihen. Anleger sollten sich also fragen: Warum muss die Netfonds AG so hohe Zinsen zahlen, um Kapital aufzunehmen?
Moderator: Gibt es andere Aspekte, die Anleger beachten sollten?
Högel: Ja, mehrere Punkte. Zunächst einmal ist die Verwendung der Mittel, die durch die Anleihe eingesammelt werden, riskant. Die Netfonds AG plant, das Kapital für Akquisitionen, also Unternehmensübernahmen, einzusetzen. Das ist eine typische Strategie, birgt aber das Risiko, dass diese Investitionen nicht wie geplant erfolgreich sind. Sollte eine Übernahme scheitern oder sich die erwarteten Erträge nicht einstellen, könnte die Gesellschaft Schwierigkeiten haben, die Zinsen und den Rückzahlungsbetrag zu leisten.
Ein weiterer Punkt ist die Einordnung der Anleihe in den Open Market an der Frankfurter Wertpapierbörse. Dieser Markt ist weniger reguliert als der regulierte Markt. Das bedeutet, dass auch die Handelsliquidität, also die Möglichkeit, die Anleihe vor Ablauf zu verkaufen, geringer sein kann. Im Klartext: Es könnte schwierig werden, die Schuldverschreibung während der Laufzeit zu einem fairen Preis zu veräußern, falls ein Anleger vorzeitig aussteigen möchte.
Moderator: Was sollten Anleger also konkret tun, wenn sie mit dem Gedanken spielen, in diese Anleihe zu investieren?
Högel: Zunächst einmal sollten sie den Wertpapierprospekt, der von der CSSF in Luxemburg genehmigt werden soll, sehr sorgfältig lesen. Ein Prospekt enthält detaillierte Informationen über die Risiken, die Struktur der Anleihe und die finanzielle Lage des Unternehmens. Gerade bei nicht besicherten Schuldverschreibungen ist es entscheidend, sich ein genaues Bild über die Bonität des Emittenten zu machen.
Darüber hinaus empfehle ich Anlegern, professionellen Rat von einem unabhängigen Finanz- oder Rechtsberater einzuholen, bevor sie eine Entscheidung treffen. Nicht jeder Anleger hat die Expertise, die finanziellen Risiken und Chancen einer Anleihe richtig einzuschätzen.
Moderator: Gibt es Alternativen für Anleger, die zwar höhere Renditen suchen, aber weniger Risiken eingehen möchten?
Högel: Ja, es gibt Alternativen. Eine Möglichkeit wäre, auf breit diversifizierte Fonds zu setzen, die Unternehmensanleihen verschiedener Emittenten bündeln. Dadurch wird das Risiko gestreut. Eine andere Option könnten besicherte Anleihen sein, bei denen im Falle einer Insolvenz Sicherheiten bestehen, auf die Anleger zurückgreifen können. Natürlich hängen Rendite und Risiko immer zusammen, aber es gibt Investments mit einem besseren Verhältnis von Risiko und potenziellem Ertrag.
Moderator: Wie lautet Ihr Fazit zur geplanten Anleihe der Netfonds AG?
Högel: Mein Fazit lautet: Anleger sollten sich der Risiken einer Investition in diese Unternehmensanleihe vollständig bewusst sein. Der attraktive Zinssatz spiegelt ein höheres Risiko wider, und die Tatsache, dass es sich um eine nicht besicherte Schuldverschreibung handelt, erhöht die Gefahr eines Totalverlusts. Dieses Investment ist daher nur für erfahrene Anleger geeignet, die sich der potenziellen Gefahren bewusst sind und die finanziellen Mittel haben, einen möglichen Totalverlust zu verkraften.
Moderator: Herr Högel, vielen Dank für Ihre Einschätzungen und Warnungen.
Högel: Sehr gern. Anleger sollten sich immer gut informieren – vor allem, wenn es um vermeintlich sichere Anlagemöglichkeiten wie Anleihen geht.