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Britische Religionsvertreter warnen vor Sterbehilfe: Offener Brief und kontroverse Debatte im Parlament

herbert11timtim (CC0), Pixabay

Kurz vor der geplanten Abstimmung im britischen Unterhaus über die Legalisierung der Sterbehilfe in England und Wales haben führende Vertreter britischer Kirchen und Religionsgemeinschaften ihre Warnungen eindringlich erneuert. In einem offenen Brief an die Zeitung The Observer äußerten rund 30 prominente Religionsvertreter ihre Bedenken gegen den vorliegenden Gesetzentwurf und forderten stattdessen eine bessere Palliativversorgung und Hospizdienste.

Pflicht zu sterben statt Recht auf Sterben?
Die Unterzeichner des Briefes, darunter Kardinal Vincent Nichols, Erzbischof von Westminster, Oberrabbiner Ephraim Mirvis, die anglikanische Bischöfin Sarah Mullally sowie Vertreter der Sikh-, Hindu- und muslimischen Gemeinden, betonen, dass ein „Recht auf Sterben“ allzu leicht zu einer moralischen Verpflichtung werden könnte. Schutzbedürftige Menschen könnten sich unter Druck gesetzt fühlen, ihrem Leben ein Ende zu setzen, um anderen nicht zur Last zu fallen.

Warnung vor unbeabsichtigten Folgen
Die Religionsvertreter verweisen auf Erfahrungen aus Kanada und dem US-Bundesstaat Oregon, die zeigen, dass selbst gut gemeinte Schutzmaßnahmen oft nicht ausreichen, um Missbrauch und Zwang zu verhindern. Schwache und marginalisierte Personen seien in solchen Systemen nicht immer ausreichend geschützt. „Die unbeabsichtigten Folgen können tragisch sein“, heißt es im Schreiben.

Fokus auf Palliativmedizin
Statt die Sterbehilfe zu legalisieren, fordern die Unterzeichner eine „wirklich mitfühlende“ Antwort, die in der Bereitstellung hochwertiger Palliativmedizin und Hospizversorgung liegt. Eine verbesserte Betreuung am Lebensende könne nicht nur das Leiden der Betroffenen lindern, sondern auch das Vertrauen der Gesellschaft in die medizinische Versorgung stärken.

Ein kontroverser Gesetzesentwurf
Der Gesetzentwurf, eingebracht von der Labour-Abgeordneten Kim Leadbeater, sieht vor, dass unheilbar kranke Menschen, die laut ärztlicher Prognose weniger als sechs Monate zu leben haben, unter strengen Auflagen Hilfe zur Selbsttötung in Anspruch nehmen dürfen. Voraussetzung ist die Zustimmung von zwei Ärzten und eines Richters. Auch bevollmächtigte Dritte könnten Anträge im Namen der Patienten stellen.

Der neue Labour-Premier Keir Starmer hatte im Wahlkampf Unterstützung für die Legalisierung der Sterbehilfe signalisiert. Doch der Entwurf spaltet die Politik: Während einige Regierungsmitglieder, wie Bildungsministerin Bridget Phillipson und Justizministerin Shabana Mahmood, ablehnend gegenüberstehen, gibt es auch Befürworter innerhalb der Labour-Partei.

Abstimmung im Unterhaus: Ausgang ungewiss
Vor der Abstimmung am Freitag ist eine mehrstündige Debatte im Unterhaus geplant. Über 100 Parlamentarier wollen laut Berichten ihre Meinungen äußern. Der Ausgang der Abstimmung ist unklar, da viele Abgeordnete noch unentschlossen sind.

Kritik von katholischen Medizinern
Die Catholic Medical Association (CMA) hat ebenfalls dazu aufgerufen, den Gesetzentwurf abzulehnen. CMA-Präsident Mike Delany kritisierte insbesondere die Gewissensklausel, die Ärzten erlaubt, aus moralischen Gründen die Mitwirkung zu verweigern. Diese sei jedoch „zu schwach“, da Ärzte verpflichtet seien, Patienten an Kollegen zu überweisen, die bereit sind, Sterbehilfe zu leisten. „Kein katholischer Arzt könnte dies mit gutem Gewissen tun“, erklärte Delany.

Eine ethische und gesellschaftliche Herausforderung
Die Debatte über die Legalisierung der Sterbehilfe stellt Großbritannien vor tiefgreifende ethische und gesellschaftliche Fragen. Während Befürworter die Selbstbestimmung und das Recht auf ein würdevolles Lebensende betonen, warnen Kritiker vor den Risiken für die Schwächsten in der Gesellschaft. Die bevorstehende Abstimmung könnte weitreichende Folgen für die britische Gesetzgebung und die gesellschaftliche Wahrnehmung von Sterbehilfe haben.

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