Die geplante Koalition aus CDU, BSW und SPD in Thüringen hat in ihrem Koalitionsvertrag eine wegweisende Entscheidung getroffen: Noch offene Bußgeldverfahren wegen Verstößen gegen die Corona-Regeln sollen eingestellt werden. Ziel sei es, „empfundene Ungerechtigkeiten abzumildern und den Rechtsfrieden wiederherzustellen“, erklärten die drei Parteien bei der Vorstellung des Vertrags in Erfurt.
Hintergrund: Bußgelder als Zankapfel
Während der Corona-Pandemie galten in Deutschland strenge Auflagen, die von Kontaktbeschränkungen über Maskenpflicht bis hin zu Ausgangssperren reichten. Verstöße gegen diese Regeln wurden vielerorts mit Bußgeldern geahndet. Diese Maßnahmen waren jedoch immer wieder Gegenstand heftiger öffentlicher Debatten. Kritiker monierten, dass die Strafen teilweise unverhältnismäßig gewesen seien und die persönlichen Freiheiten eingeschränkt hätten.
Noch immer sind zahlreiche Bußgeldverfahren aus der Pandemie-Zeit anhängig, was für Unmut und Unsicherheit bei Betroffenen sorgt. Mit dem jetzt geplanten Schlussstrich möchte die Koalition in Thüringen ein klares Zeichen setzen: Die rechtlichen Nachwehen der Pandemie sollen nicht weiter belasten.
Geplante Maßnahmen
Der Koalitionsvertrag sieht vor, dass alle noch offenen oder anhängigen Bußgeldverfahren nicht weiterverfolgt oder ihre Einstellung angeregt werden sollen. Konkret bedeutet dies, dass Betroffene nicht länger mit der Durchsetzung von Sanktionen rechnen müssen, die im Rahmen der Corona-Maßnahmen verhängt wurden.
Darüber hinaus prüfen die drei Parteien die Einführung eines Amnestie-Gesetzes, um die rechtliche Grundlage für eine flächendeckende Einstellung dieser Verfahren zu schaffen. Ziel ist es, auch für bereits rechtskräftige Bußgeldbescheide eine Lösung zu finden, sodass Betroffene keine weiteren Konsequenzen zu fürchten haben.
Motivation: Rechtsfrieden und gesellschaftlicher Ausgleich
Die Koalition betont, dass die Maßnahmen vor allem dazu dienen sollen, das Vertrauen der Bürger in die Politik zu stärken. „Wir wollen nicht nur empfundene Ungerechtigkeiten abmildern, sondern auch einen Beitrag zum gesellschaftlichen Ausgleich leisten“, erklärte ein Vertreter der CDU. Besonders während der Pandemie sei das Verhältnis zwischen staatlichem Handeln und dem Rechtsempfinden der Bürger immer wieder auf die Probe gestellt worden.
Auch die SPD äußerte sich zuversichtlich: „Es geht nicht darum, die Notwendigkeit der Maßnahmen rückwirkend in Frage zu stellen, sondern darum, eine pragmatische und versöhnliche Lösung zu finden, die der aktuellen gesellschaftlichen Situation gerecht wird“, so ein Sprecher der Partei.
Zustimmung und Kritik
Die geplante Amnestie stößt auf gemischte Reaktionen. Befürworter loben die Entscheidung als längst überfälligen Schritt, um das Vertrauen der Bürger wiederherzustellen. „Viele Menschen fühlten sich während der Pandemie unverhältnismäßig bestraft – dieser Schritt zeigt, dass die Politik ihre Verantwortung ernst nimmt und bereit ist, Fehler einzugestehen“, so eine Vertreterin der Bürgerrechtsorganisation Grundrechte Now.
Kritik kommt jedoch von einigen Rechtsexperten und Oppositionsparteien. Sie warnen davor, dass ein solcher Schlussstrich ein falsches Signal senden könnte. „Die Botschaft könnte lauten, dass Verstöße gegen Gesetze am Ende ohne Konsequenzen bleiben“, so ein Vertreter der FDP. Auch sei unklar, ob ein Amnestie-Gesetz verfassungsrechtlich wasserdicht sei.
Blick in die Zukunft
Die Umsetzung des Amnestie-Vorhabens dürfte in den kommenden Wochen und Monaten weiter für Diskussionen sorgen. Sollte das Amnestie-Gesetz tatsächlich auf den Weg gebracht werden, könnte es auch in anderen Bundesländern als Modell dienen. Thüringen setzt mit diesem Schritt jedenfalls ein deutliches Signal: Die Nachwirkungen der Pandemie sollen nicht länger das Verhältnis zwischen Bürgern und Staat belasten.