In Frankreich nimmt die Zahl der Kinder, die auf der Straße leben, dramatisch zu. Laut der Hilfsorganisation „Jamais Sans Toit“ (deutsch: „Nie ohne Obdach“) leben allein in Lyon rund 300 Schulkinder ohne festen Wohnsitz. Ihre Geschichten verdeutlichen die Schwere der sozialen Krise, die insbesondere alleinerziehende Mütter und ihre Kinder trifft.
Schutz in Schulen
Um den betroffenen Familien zu helfen, hat die Initiative „Jamais Sans Toit“ in Zusammenarbeit mit lokalen Schulen eine außergewöhnliche Lösung gefunden: Kinder und ihre Familien dürfen nachts in Schulgebäuden Zuflucht finden. Derzeit beteiligen sich Schulen in rund 20 französischen Städten an dieser Initiative. In Lyon allein haben 17 Schulen ihre Türen geöffnet und damit 79 Kindern sowie deren Familien ein Dach über dem Kopf geboten.
„Es geht nicht nur darum, eine Unterkunft bereitzustellen“, sagt ein Sprecher der Organisation, „sondern auch darum, den Kindern eine gewisse Stabilität zu bieten. Sie haben das Recht auf Bildung und ein sicheres Umfeld.“
Die Gesichter hinter den Zahlen
Die meisten der betroffenen Kinder stammen aus Familien, die durch plötzliche Arbeitslosigkeit, steigende Lebenshaltungskosten oder schwierige Aufenthaltsbedingungen in die Obdachlosigkeit geraten sind. Besonders betroffen sind alleinerziehende Mütter, die oft zwischen der Sorge um ihre Kinder und dem Kampf um finanzielle Stabilität zerrieben werden.
Eine Mutter, deren Name aus Datenschutzgründen geändert wurde, erzählt: „Ich habe alles verloren, was ich hatte. Ohne die Unterstützung von ‚Jamais Sans Toit‘ wüsste ich nicht, wo wir heute wären.“
Breitere gesellschaftliche Diskussion
Die Initiative hat in Frankreich eine öffentliche Debatte über die soziale Ungerechtigkeit ausgelöst. Zahlreiche Demonstrationen und Spendenaktionen wurden ins Leben gerufen, um auf die Not der obdachlosen Kinder und Familien aufmerksam zu machen. Kritiker werfen der Regierung vor, nicht genug gegen die wachsende Wohnungsnot zu unternehmen, während Hilfsorganisationen auf eine stärkere finanzielle Unterstützung und langfristige Lösungen drängen.
Ein Schritt in die richtige Richtung?
Die Übernachtungsmöglichkeit in Schulen ist für viele Familien ein dringend benötigter Notfallplan, kann aber keine langfristige Lösung sein. „Kinder brauchen mehr als ein provisorisches Dach über dem Kopf“, so ein Mitglied der Organisation. „Sie brauchen echte Stabilität, Zugang zu Bildung und die Chance auf eine bessere Zukunft.“
Ausblick
„Jamais Sans Toit“ ist ein Beispiel für die Solidarität der französischen Zivilgesellschaft inmitten einer tiefgreifenden Krise. Doch ohne weitreichende politische Maßnahmen und eine Stärkung des sozialen Wohnungsbaus wird es schwierig sein, den betroffenen Familien langfristig zu helfen. Die Geschichten der obdachlosen Kinder in Frankreich sind nicht nur herzzerreißend, sondern auch ein Weckruf an die Politik, sich dieser wachsenden sozialen Krise zu stellen.