Eine aktuelle Zählung der Seehunde im Wattenmeer deutet auf einen „langfristigen Rückgang“ der Bestände hin, wie das Gemeinsame Wattenmeersekretariat der Anrainerstaaten Deutschland, Niederlande und Dänemark in Wilhelmshaven mitteilte. Die Sommerzählung 2024 ergab etwa 23.800 Tiere – ein leichter Anstieg von rund fünf Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Trotzdem bleibt die Population weiterhin deutlich unter den Zahlen von 2012 bis 2020, was Experten Anlass zur Sorge gibt.
Bestand unter langjährigem Durchschnitt
Die Zahlen zeigen, dass der Bestand der Seehunde im Wattenmeer seit 2020 zurückgeht, obwohl die Population zwischen 2003 und 2012 stetig wuchs und bis 2020 stabil blieb. Der Abwärtstrend setzte sich im Jahr 2024 nun bereits im vierten Jahr in Folge fort, sodass die Zahl der Seehunde heute unter dem Niveau von vor zehn Jahren liegt.
Unklare Ursachen und potenzielle Bedrohungen
Die Ursachen des Rückgangs sind laut Fachleuten weitgehend unklar. Krankheiten und großflächige Abwanderungen als „Hauptfaktoren“ konnten ausgeschlossen werden. Stattdessen wird vermutet, dass eine Kombination aus verschiedenen Umwelteinflüssen zur aktuellen Entwicklung beiträgt.
Einige der diskutierten Faktoren umfassen die zunehmende Konkurrenz um Nahrungsressourcen, möglicherweise durch andere Tierarten, und menschliche Aktivitäten wie Schiffsverkehr, Fischerei und die industrielle Nutzung der Küstenregionen. Die fortschreitende Klimakrise könnte ebenfalls eine Rolle spielen, da sie zu veränderten Lebensbedingungen im Wattenmeer führt, die sich auf das Nahrungsangebot und die Fortpflanzung der Seehunde auswirken könnten.
Menschliche Einflüsse und die Notwendigkeit weiterer Forschung
Der Einfluss menschlicher Aktivitäten wie Fischerei und Küstenbau wird als möglicher Stressfaktor betrachtet, der den Lebensraum der Seehunde belastet. Umweltverschmutzung, Lärm und steigende Wasser- und Lufttemperaturen könnten ebenfalls indirekt die Gesundheit und das Verhalten der Seehunde beeinträchtigen. Um die Ursachen des Rückgangs besser zu verstehen, sind umfassende wissenschaftliche Untersuchungen erforderlich, die sowohl Umweltbedingungen als auch das Verhalten und die Gesundheit der Tiere genau analysieren.
Schutzmaßnahmen für die Zukunft
Angesichts dieser Entwicklungen setzen sich Naturschutzorganisationen und das Wattenmeersekretariat verstärkt dafür ein, den Lebensraum der Seehunde im Wattenmeer zu schützen. Dazu gehören unter anderem strengere Auflagen für Schiffsverkehr und Fischerei in sensiblen Gebieten, regelmäßige Gesundheitskontrollen der Population sowie Maßnahmen zur Bekämpfung von Umweltverschmutzung.
Für die langfristige Erhaltung der Seehundpopulation ist jedoch ein Zusammenspiel aus Forschung, Schutzmaßnahmen und nachhaltiger Nutzung des Wattenmeers erforderlich. Der Rückgang der Seehunde zeigt, wie empfindlich das Ökosystem auf Veränderungen reagiert und wie wichtig ein konsequenter Schutz ist, um die Artenvielfalt und die Stabilität des Wattenmeers zu bewahren. Nur so kann sichergestellt werden, dass auch künftige Generationen den einzigartigen Lebensraum der Nordsee und seine Bewohner erleben können.