Ein Spin-off der berüchtigten russischen „Trollfabrik“, die bereits die US-Präsidentschaftswahl 2016 beeinflusst hat, scheint nun im Zentrum einer neuen Desinformationskampagne zu stehen. Diese Kampagne zielt darauf ab, das westliche, insbesondere das US-amerikanische Publikum zu beeinflussen. Forscher der Clemson University haben in einer Untersuchung herausgefunden, dass das Netzwerk „Storm-1516“ eng mit einer Organisation verbunden ist, die von dem verstorbenen russischen Oligarchen Jewgeni Prigoschin ins Leben gerufen wurde.
Die „Russian Foundation to Battle Injustice“ (R-FBI), die 2021 von Prigoschin, dem ehemaligen Anführer der Söldnertruppe Wagner, gegründet wurde, hat sich von falschen Behauptungen über den Ukraine-Krieg zunehmend auf die US-Präsidentschaftswahl 2024 verlagert. Die R-FBI, die sich selbst als „Menschenrechtsorganisation“ darstellt, wird von Mira Terada geleitet, einer Russin, die mehr als zwei Jahre wegen Geldwäsche in einem US-Gefängnis verbracht hat.
Eine Desinformationskampagne voller falscher Anschuldigungen
In den letzten Wochen hat das Netzwerk Storm-1516 verschiedene frei erfundene Geschichten über US-Vizepräsidentin Kamala Harris und ihren demokratischen Mitbewerber Tim Walz verbreitet. Zu den fabrizierten Behauptungen gehört, dass Harris für einen Verkehrsunfall mit Fahrerflucht in San Francisco verantwortlich sei und während einer Safari in Sambia ein bedrohtes Nashorn getötet habe. Auch Walz wird in einer grundlosen Anschuldigung bezichtigt, eine Schülerin sexuell belästigt zu haben.
Das Team der Clemson University identifizierte insgesamt 54 verschiedene Desinformationsnarrative, die seit August 2023 von Storm-1516 verbreitet wurden. Sieben der zehn aktuellsten Geschichten haben einen politischen Fokus auf die USA, alle ohne jegliche Beweise. Laut US-Geheimdiensten unterstützt die russische Regierung solche Kampagnen, um die Wahlen zugunsten von Donald Trump zu beeinflussen, da man Trump als bevorzugten Kandidaten des Kremls betrachtet.
Die Rolle der R-FBI und des Netzwerks Storm-1516
Die Verbindung zwischen der R-FBI und Storm-1516 konnte durch eine Analyse historischer und organisatorischer Daten hergestellt werden. Laut den Forschern der Clemson University gibt es klare Hinweise auf eine koordinierte Beziehung zwischen beiden Organisationen. So teilen Personen, die der R-FBI angehören, häufig die Inhalte von Storm-1516 über eigene Blogs und soziale Netzwerke.
Der Einfluss von Storm-1516 ist beachtlich: Das Netzwerk nutzt Social Media-Influencer, sowohl aus den USA als auch international, um die Desinformation zu verbreiten. Die Inhalte reichen von gestellten Videos mit Schauspielern bis hin zu bearbeiteten Aufnahmen und Deepfakes.
Inszenierte Videos und gefälschte Nachrichtenportale
Ein kürzlich veröffentlichtes Fake-Video zeigte angeblich einen Wildhüter in Sambia, der behauptete, Kamala Harris habe ein junges Nashorn erschossen. In Wirklichkeit stellte sich heraus, dass der Mann im Video nicht beim Nationalpark angestellt war und dass das Video Spuren digitaler Manipulation aufwies. In einem anderen inszenierten Video behauptete eine Frau, dass Harris sie bei einem Fahrerflucht-Unfall in San Francisco 2011 gelähmt habe – auch hier handelt es sich um eine Fälschung.
Diese Desinformation wird oft über angebliche „Nachrichtenseiten“ verbreitet, die amerikanisch klingende Namen wie „The Miami Chronicle“ oder „DC Weekly“ tragen, aber in Wirklichkeit in Russland erfunden wurden. Influencer, die mit der R-FBI verbunden sind, verbreiten diese Inhalte weltweit, wobei die Reichweite durch gezielte Verbreitung in sozialen Medien erhöht wird.
Internationale Verbindungen und finanzielle Unterstützung
John Mark Dougan, ein ehemaliger US-Sheriff, der nach Russland geflüchtet ist, ist eine der Schlüsselfiguren im Desinformationsnetzwerk. Dougan, der in Moskau Asyl erhalten hat, verbreitet regelmäßig pro-russische Inhalte und war an der Verbreitung zahlreicher Fake News beteiligt. Laut einem europäischen Geheimdienstinsider wird Dougan für seine Beteiligung bezahlt, spielt jedoch eine eher untergeordnete Rolle in der gesamten Operation.
Mira Terada, die Leiterin der R-FBI, arbeitet ebenfalls aktiv daran, ein Netzwerk von Unterstützern und Influencern für die Verbreitung von Desinformation aufzubauen. Sie pflegt Verbindungen zu russischen Medien und internationalen Journalisten in russlandfreundlichen Staaten. Nach dem Tod von Prigoschin wurde die R-FBI Berichten zufolge enger in das russische Staatssystem integriert und arbeitet in enger Abstimmung mit anderen Desinformationsoperationen.
Einfluss auf die Wahlen und Ziele der russischen Desinformation
Das Ziel der russischen Desinformationskampagnen ist laut Experten weniger, die Wahlen direkt zu beeinflussen, sondern vielmehr, Zweifel und Unsicherheit zu säen. Die Strategien erinnern stark an die Methoden der „Internet Research Agency“ (IRA), der ursprünglichen „Trollfabrik“ Russlands, die 2016 in die US-Wahlen eingriff. Auch wenn die Operationen teilweise chaotisch erscheinen, sind sie doch zentral organisiert und gut abgestimmt.
Die Biden-Regierung hat in diesem Jahr eine Reihe von Maßnahmen ergriffen, um russische Einmischungen zu bekämpfen. Dazu gehören Anklagen gegen russische Staatsangehörige, Sanktionen gegen Organisationen und die Beschlagnahme von Domains, die zur Verbreitung von Desinformation genutzt wurden.
Fazit
Die Desinformationskampagne von Storm-1516 und der R-FBI zeigt, dass Russland weiterhin versucht, Einfluss auf die internationale Politik zu nehmen. Mit inszenierten Videos, gefälschten Nachrichtenportalen und einem Netzwerk von Influencern strebt das russische Desinformationsnetzwerk weniger eine konkrete Einflussnahme an, sondern möchte den Eindruck erwecken, dass es über die Fähigkeit verfügt, die westliche Gesellschaft zu destabilisieren. Ob diese Strategie jedoch tatsächlich die Wahlen beeinflussen kann, bleibt fraglich – die Zielsetzung scheint vielmehr, die eigene Macht und Einflussnahme zur Schau zu stellen.