Interviewer: Frau Bontschev, in einem YouTube-Video wird spekuliert, dass der Goldpreis in naher Zukunft möglicherweise korrigieren könnte. Dabei wird eine potenzielle Kursänderung von 10 bis 15 % genannt. Zudem lädt der YouTuber seine Zuschauer ein, den Kanal zu abonnieren und kommentiert mögliche Strategien für den Goldkauf. Welche rechtlichen Aspekte sind hierbei aus Ihrer Sicht relevant?
Rechtsanwältin Bontschev: Bei solchen Videos, die sich mit Finanzmärkten und insbesondere mit Anlageprodukten wie Gold beschäftigen, gibt es einige rechtliche Fragestellungen. Zunächst muss geklärt werden, ob hier möglicherweise eine Finanz- oder Anlageberatung erfolgt. Der YouTuber spricht zwar an, dass es sich nicht um eine Finanzberatung handelt, doch allein dieser Hinweis schützt nicht vor rechtlichen Konsequenzen. Das Problem besteht darin, dass konkrete Anlageempfehlungen gegeben werden, insbesondere wenn der Zuschauer ermutigt wird, aufgrund von Prognosen über den Goldpreis Entscheidungen zu treffen. In Deutschland fällt die Erteilung von Anlageberatung oder Anlagetipps unter das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG), was bedeutet, dass hierfür eine Lizenz der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) notwendig ist.
Interviewer: Der YouTuber betont, dass er eine mögliche Goldpreiskorrektur von 10 bis 15 % lediglich anhand der Charttechnik und historischen Daten prognostiziert. Reicht dieser spekulative Charakter aus, um sich rechtlich abzusichern?
Rechtsanwältin Bontschev: Auch wenn die Aussagen im Video als spekulativ gekennzeichnet werden, muss immer die Gesamtwirkung des Inhalts betrachtet werden. Selbst wenn der YouTuber betont, dass niemand eine Glaskugel hat und Prognosen stets hypothetisch sind, könnte es für einen Laien so erscheinen, als handele es sich um eine fundierte Beratung. Wenn dadurch Entscheidungen über den Kauf oder Verkauf von Gold getroffen werden, könnte man dies durchaus als Anlageempfehlung werten. Der spekulative Charakter schützt daher nicht vor der Einordnung als unerlaubte Anlageberatung. Es ist entscheidend, wie der Zuschauer die Informationen wahrnimmt und ob dadurch zum Handeln motiviert wird.
Interviewer: Im Video wird außerdem ein Zuschauerkommentar aufgegriffen, der eine mögliche Goldpreisentwicklung beschreibt. Kann das Verwenden von Zuschauerkommentaren als Grundlage für Finanzinhalte rechtlich problematisch sein?
Rechtsanwältin Bontschev: Das Einbeziehen von Zuschauerkommentaren ist grundsätzlich nicht problematisch, solange der Inhalt als Meinung oder Diskussion dargestellt wird. Aber sobald der YouTuber daraus eine konkrete Handlungsempfehlung ableitet – etwa, dass es eine gute Strategie wäre, jetzt in Gold zu investieren oder auf eine Korrektur zu warten – kann dies wiederum als Anlageberatung ausgelegt werden. Insbesondere bei der Kommentierung und Verstärkung von Aussagen, die sich direkt auf den Finanzmarkt auswirken, ist Vorsicht geboten.
Interviewer: Der YouTuber ermutigt die Zuschauer, sich durch das Ansehen weiterer Videos und den Kauf seines Buches weiter zu informieren. Welche rechtlichen Implikationen hat das?
Rechtsanwältin Bontschev: Wenn der YouTuber zusätzlich eigene Produkte, wie Bücher oder weiterführende Videos, vermarktet, die ebenfalls Investmentstrategien enthalten, kann dies die rechtliche Lage komplizierter machen. Je mehr konkrete Anlagehinweise oder -strategien in solchen Produkten enthalten sind, desto wahrscheinlicher ist, dass dies als Finanzberatung oder Verkauf von Finanzprodukten angesehen werden könnte. In diesem Fall müsste der YouTuber sicherstellen, dass alle regulatorischen Anforderungen erfüllt sind. Andernfalls könnte es zu rechtlichen Konsequenzen, einschließlich einer Untersagung durch die BaFin, kommen.
Interviewer: Was sollten Verbraucher beachten, wenn sie solche Videos anschauen und in Erwägung ziehen, entsprechende Anlageentscheidungen zu treffen?
Rechtsanwältin Bontschev: Verbraucher sollten bei solchen Videos immer sehr vorsichtig sein und sich bewusst machen, dass es sich oft um subjektive Meinungen handelt. Auch wenn historische Daten verwendet werden, gibt es keine Garantie, dass sich die zukünftige Entwicklung eines Rohstoffs wie Gold genauso verhält. Ich rate dringend dazu, nur auf professionelle und zugelassene Finanzberater zurückzugreifen, bevor sie Anlageentscheidungen treffen. Darüber hinaus sollten sie die Seriosität der Quelle prüfen und sich nicht ausschließlich auf Social Media-Informationen verlassen.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre rechtliche Einschätzung, Frau Bontschev.
Rechtsanwältin Bontschev: Sehr gerne.