In Deutschland herrscht weiterhin ein massiver Mangel an Betreuungsplätzen für Kleinkinder. Laut einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) fehlen auch in diesem Jahr über 300.000 Kita-Plätze für Kinder unter drei Jahren. Trotz kleiner Fortschritte – die Lücke ist im Vergleich zum Vorjahr um etwa 38.000 Plätze zurückgegangen – bleibt der Ausbau der Betreuungsinfrastruktur ein zentrales Problem, das vor allem Familien in Westdeutschland stark belastet.
Die Studie zeigt, dass vor allem in den alten Bundesländern die Versorgungslage besonders schlecht ist. Während in Ostdeutschland das Betreuungsangebot relativ gut ausgebaut ist, fehlen im Westen fast zehnmal so viele Plätze. Diese Ungleichheit spiegelt sich auch in den Erfahrungen der betroffenen Eltern wider, wie die Untersuchung zeigt. Denn das arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft hat für die Studie unter anderem Zahlen aus einer Eltern-Befragung des Bundesfamilienministeriums ausgewertet. Daraus wird deutlich, dass viele Familien, vor allem in westdeutschen Städten und Ballungsgebieten, keine geeignete Kinderbetreuung finden.
Die Gründe für den Engpass sind vielfältig. Neben einem generellen Fachkräftemangel in der Kinderbetreuung erschweren auch steigende Baukosten den notwendigen Ausbau der Einrichtungen. Zudem sind viele Kommunen finanziell überfordert, die dringend benötigten neuen Kitas rechtzeitig zu bauen. Bundesweite Förderprogramme haben zwar den Bau neuer Plätze ermöglicht, doch das Tempo des Ausbaus reicht nicht aus, um die steigende Nachfrage zu decken. Der Bedarf an Betreuungsplätzen ist in den letzten Jahren kontinuierlich gestiegen, da immer mehr Eltern, insbesondere Mütter, nach der Geburt schneller wieder in den Arbeitsmarkt zurückkehren möchten oder müssen.
Besonders betroffen sind junge Familien in Großstädten, wo die Wohnraumsituation und die damit verbundene Platznot oft zusätzliche Herausforderungen für den Kita-Ausbau darstellen. In ländlichen Regionen zeigt sich dagegen teilweise eine bessere Versorgungslage, obwohl auch hier vielerorts nach wie vor Plätze fehlen.
Experten warnen, dass der Mangel an Betreuungsplätzen nicht nur die Vereinbarkeit von Beruf und Familie erschwert, sondern auch langfristig negative Auswirkungen auf die Gleichstellung von Männern und Frauen haben könnte. Denn häufig sind es die Mütter, die ihre Berufstätigkeit einschränken oder aufgeben müssen, wenn keine adäquate Betreuung für ihre Kinder verfügbar ist.
Das Institut der deutschen Wirtschaft fordert daher verstärkte politische Anstrengungen, um den Ausbau von Kitas voranzutreiben. Notwendig seien nicht nur mehr finanzielle Mittel für den Bau neuer Einrichtungen, sondern auch Maßnahmen zur Ausbildung und Einstellung von mehr Fachkräften im Erziehungsbereich. Zudem müsse über alternative Betreuungsmodelle nachgedacht werden, um die Lücken kurzfristig zu schließen.
Die Studie verdeutlicht, dass der Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz, der seit 2013 besteht, vielerorts noch immer nicht umgesetzt werden kann. Obwohl der Anspruch theoretisch gilt, stehen viele Eltern vor dem Problem, dass in ihrer Region schlicht keine Plätze verfügbar sind. Dies führt nicht nur zu Unzufriedenheit bei den Familien, sondern auch zu einem gesamtgesellschaftlichen Problem, das die Zukunft der Arbeitswelt und die Rolle von Frauen in der Wirtschaft beeinflusst.
Insgesamt zeigt die Studie des IW, dass trotz der politischen Bemühungen und vereinzelter Fortschritte im Ausbau der Kinderbetreuung in Deutschland noch erheblicher Handlungsbedarf besteht. Besonders in Westdeutschland muss der Ausbau massiv beschleunigt werden, um der steigenden Nachfrage gerecht zu werden und die Vereinbarkeit von Familie und Beruf flächendeckend zu ermöglichen.