In einem kürzlich veröffentlichten Video spricht ein privater Anleger über seine Investitionsentscheidungen und Aktienbewertungen. Er erläutert seine Positionen, nennt aktuelle Marktentwicklungen und gibt eine optimistische Einschätzung für verschiedene Unternehmen ab. Dabei analysiert er Aktienkurse, Unternehmensbewertungen und Kursziele und teilt seine Erwartungen bezüglich zukünftiger Wertentwicklungen. Wir haben mit Rechtsanwalt Reime über die rechtlichen Fallstricke gesprochen, die bei der Veröffentlichung solcher Videos beachtet werden müssen.
Rechtsanwalt Reime:
„Das Video birgt einige rechtliche Risiken, die der Ersteller möglicherweise nicht vollständig berücksichtigt hat. Sobald jemand öffentlich Empfehlungen zu Aktien oder anderen Finanzinstrumenten gibt, kann dies als eine Art Anlageberatung oder Anlageempfehlung aufgefasst werden. Dies unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben, insbesondere dem Wertpapierhandelsgesetz (WpHG).“
Anlageberatung oder Meinungsäußerung?
Der Ersteller des Videos stellt seine Analysen und Meinungen dar, spricht jedoch auch konkret über seine eigenen Aktienpositionen und darüber, warum er bestimmte Titel für vielversprechend hält. Er nennt sogar potenzielle Kursgewinne und verweist auf Analystenmeinungen. Rechtsanwalt Reime weist darauf hin, dass dies aus rechtlicher Sicht problematisch werden könnte:
Rechtsanwalt Reime:
„Wenn jemand in einem öffentlichen Video detailliert über einzelne Aktien spricht, diese als besonders vielversprechend darstellt und dabei konkrete Kursziele nennt, könnte dies als eine indirekte Kaufempfehlung verstanden werden. In Deutschland ist dies nicht ohne weiteres erlaubt, es sei denn, der Ersteller hat eine entsprechende Lizenz oder Registrierung als Finanzberater. Ohne diese kann er sich schnell in einer Grauzone bewegen.“
Reime erklärt weiter, dass dies umso problematischer wird, wenn der Ersteller nicht ausreichend offenlegt, dass es sich nur um seine persönliche Meinung handelt. Auch sollte offengelegt werden, dass er selbst in die besprochenen Aktien investiert ist. Dies ist nötig, um potenzielle Interessenkonflikte klar zu benennen.
Risiko der Marktmanipulation
Eine weitere kritische Frage ist, ob der Ersteller des Videos möglicherweise gegen Vorschriften zur Marktmanipulation verstoßen könnte. Rechtsanwalt Reime warnt davor, dass positive oder negative Aussagen über ein Unternehmen, wenn sie unzureichend begründet sind, als Versuch gewertet werden könnten, den Markt zu beeinflussen:
Rechtsanwalt Reime:
„Die Grenze zur Marktmanipulation ist schnell überschritten, wenn jemand versucht, den Markt zu beeinflussen, um eigene finanzielle Vorteile zu erzielen. Das ist besonders dann heikel, wenn der Ersteller selbst eine größere Position in der besprochenen Aktie hält und diese Informationen möglicherweise nutzen könnte, um andere Anleger
zum Kauf zu bewegen und so den Kurs in die Höhe zu treiben. Das wäre ein klarer Verstoß gegen das WpHG.“
In dem Video gibt der Ersteller zu, in die besprochenen Titel investiert zu sein und hofft auf steigende Kurse. Zwar deutet er nicht direkt an, dass er andere dazu ermutigen will, dieselben Aktien zu kaufen, doch durch die positive Darstellung und die Nennung konkreter Kursziele könnte der Eindruck entstehen, dass er die Zuschauer
indirekt zu einem Kauf animieren möchte.
Haftung bei Verlusten und der Schutz der Zuschauer
Rechtsanwalt Reime betont außerdem, dass bei solchen Videos die Frage der Haftung eine zentrale Rolle spielt. Was passiert, wenn ein Zuschauer auf Basis dieser Informationen investiert und Verluste erleidet?
Rechtsanwalt Reime:
„Sollte das Video als Anlageberatung ausgelegt werden und die Empfehlungen sind fehlerhaft oder irreführend, könnte der Ersteller im schlimmsten Fall haftbar gemacht werden, wenn Anleger
daraufhin Verluste erleiden. Ein Disclaimer im Video, der klarstellt, dass es sich nur um persönliche Meinungen handelt und keine Anlageberatung, kann das Risiko etwas mindern. Aber auch dieser schützt nicht vollständig vor einer möglichen Haftung.“
Reime weist darauf hin, dass ein rechtssicherer Disclaimer darauf hinweisen muss, dass alle dargestellten Analysen keine Aufforderung zum Kauf oder Verkauf darstellen. Auch sollten die Risiken der jeweiligen Anlage klargemacht werden, um Zuschauer
vor falschen Erwartungen zu schützen.
Fazit: Wo liegt die Grenze?
Abschließend erläutert Rechtsanwalt Reime, dass der Ersteller sich in einer rechtlichen Grauzone bewegt. Einerseits darf jeder seine Meinung zu Finanzthemen äußern, andererseits gibt es klare Regelungen, wenn diese Meinungen als Beratung verstanden werden könnten.
Rechtsanwalt Reime:
„Der Ersteller des Videos sollte sich bewusst sein, dass er sich möglicherweise am Rande der gesetzlichen Vorgaben bewegt. Meine Empfehlung wäre, sich rechtlich beraten zu lassen und sicherzustellen, dass seine Inhalte die Anforderungen an Transparenz und Neutralität erfüllen. Denn sobald auch nur der Eindruck entsteht, dass hier eine direkte Kaufempfehlung gegeben wird, könnte es rechtlich sehr schnell problematisch werden.“
Kritische Betrachtung:
Für viele Anlegersind solche Videos eine wertvolle Informationsquelle, doch die rechtlichen Risiken für die Ersteller sind erheblich. Sie müssen stets darauf achten, dass ihre Aussagen transparent, korrekt und als persönliche Meinung gekennzeichnet sind. Andernfalls könnte der Vorwurf der Anlageberatung oder gar der Marktmanipulation schnell im Raum stehen. Der Fall zeigt, wie schmal der Grat ist, den Influencer und private Anlegerin der Finanzwelt gehen.