Interviewer: Frau Bontschev, in den sozialen Medien sehen wir häufig Empfehlungen und Analysen zu Kaufgelegenheiten, wie zum Beispiel in diesem Fall zu Aktieninvestitionen und Marktprognosen. Wie bewerten Sie solche Inhalte aus rechtlicher Sicht?
Rechtsanwältin Bontschev: Solche Inhalte, gerade wenn sie Empfehlungen zu finanziellen Investitionen geben, bewegen sich in einem rechtlich sensiblen Bereich. Hier greifen verschiedene gesetzliche Regelungen, die sicherstellen sollen, dass Anlegerinnen und Anleger transparent informiert werden und vor möglichen Risiken gewarnt sind. Der wichtigste Punkt dabei ist die Abgrenzung zwischen allgemeiner Information und einer individuellen Anlageberatung.
Interviewer: Welche Unterschiede gibt es da genau?
Rechtsanwältin Bontschev: Eine allgemeine Information oder Marktanalyse darf grundsätzlich jeder geben, auch ohne besondere Erlaubnis. Das sehen wir hier, wo es um Einschätzungen zu Aktienindizes wie dem DAX oder dem MDAX und deren mögliche Entwicklungen geht. Solche Aussagen sind zulässig, solange sie als persönliche Meinung und nicht als Anlageberatung dargestellt werden. Entscheidend ist, dass klar gemacht wird, dass keine konkrete Handlungsempfehlung für die Zuhörerinnen und Zuhörer ausgesprochen wird.
Interviewer: Und wie sieht es aus, wenn derjenige selbst sagt, dass er die vorgestellten Strategien selbst umsetzen möchte?
Rechtsanwältin Bontschev: Das ist ein kniffliger Punkt. Wenn eine Person in einem Video ihre eigenen Anlageentscheidungen teilt und gleichzeitig andere auffordert, sich dem anzuschließen oder eine bestimmte Richtung nahelegt, kann das schnell als Empfehlung ausgelegt werden. Hier müssen Anbieter aufpassen, dass sie nicht ohne entsprechende Lizenz eine Anlageberatung betreiben, denn dafür benötigt man in Deutschland eine Erlaubnis nach dem Kreditwesengesetz (KWG). Ohne diese Erlaubnis könnte man sich sonst in rechtliche Schwierigkeiten begeben.
Interviewer: In dem beschriebenen Video wird auch über Markttrends und mögliche Chancen im Zusammenhang mit der Zinsentwicklung und der Politik der US-Notenbank gesprochen. Was ist hier zu beachten?
Rechtsanwältin Bontschev: Solche allgemeinen Einschätzungen zur Marktentwicklung sind an sich nicht problematisch, solange sie gut als persönliche Meinung gekennzeichnet sind. Das Wichtige dabei ist, immer darauf hinzuweisen, dass frühere Marktentwicklungen keine Garantie für zukünftige Entwicklungen bieten. Der Anbieter sollte auch klar machen, dass es immer Risiken gibt und keine Gewinne garantiert werden können. In dem vorliegenden Video wird zum Beispiel auf die Unsicherheiten und mögliche Schwankungen im Markt hingewiesen, was grundsätzlich eine gute Praxis ist.
Interviewer: Das Video enthält auch eine Bitte um Unterstützung bei einer Umfrage und spricht darüber, dass der Influencer bei einem Wettbewerb teilnehmen möchte. Spielt das eine Rolle?
Rechtsanwältin Bontschev: Der Aufruf zur Teilnahme an einer Umfrage ist aus rechtlicher Sicht unproblematisch, solange es sich nicht um eine verkappte Werbung handelt. Das heißt, der Influencer muss transparent sein, falls eine Zusammenarbeit mit dem Veranstalter der Umfrage besteht oder er durch die Teilnahme selbst einen finanziellen Vorteil erlangt. Wichtig ist, dass hierbei keine unklaren oder irreführenden Angaben gemacht werden. Grundsätzlich sollte man bei jeder Form von Content darauf achten, dass Transparenz und Klarheit gewährleistet sind – das gilt besonders in den sozialen Medien.
Interviewer: Abschließend, welche rechtlichen Hinweise würden Sie jemandem geben, der selbst Finanzinhalte auf Social Media teilen möchte?
Rechtsanwältin Bontschev: Der wichtigste Rat ist, immer auf eine klare Trennung zwischen Information und individueller Beratung zu achten. Man sollte regelmäßig darauf hinweisen, dass es sich um persönliche Meinungen handelt und dass die Zuschauer oder Leser ihre eigenen Entscheidungen treffen müssen. Dazu gehört auch, auf die Risiken von Investitionen hinzuweisen und keine unrealistischen Gewinne zu versprechen. Wer regelmäßig Empfehlungen gibt und die Grenzen zur individuellen Beratung überschreitet, sollte sich dringend rechtlich beraten lassen und eventuell eine entsprechende Lizenz erwerben. So lassen sich rechtliche Risiken deutlich minimieren.
Interviewer: Vielen Dank für Ihre Einschätzungen, Frau Bontschev!
Rechtsanwältin Bontschev: Sehr gerne.