Moderator: Herr Blazek, wir sprechen heute über die Risiken von Geschäftsbeziehungen mit bilanziell überschuldeten Unternehmen. Können Sie uns zunächst erklären, was der Unterschied zwischen einer bilanziellen Überschuldung und einer insolvenzrechtlichen Überschuldung ist?
Daniel Blazek: Sehr gerne. Der Unterschied zwischen diesen beiden Begriffen ist wichtig, um die finanzielle Situation eines Unternehmens richtig zu bewerten.
Eine bilanziell überschuldete Firma hat, wie der Name schon sagt, in ihrer Bilanz mehr Schulden als Vermögenswerte, was bedeutet, dass das Eigenkapital aufgebraucht oder negativ ist. Das bedeutet jedoch nicht zwangsläufig, dass das Unternehmen insolvenzrechtlich überschuldet ist oder sofort insolvent werden muss. Ein Unternehmen kann bilanziell überschuldet sein, aber dennoch fortbestehen, wenn es über ausreichende Liquidität verfügt, um seine laufenden Verbindlichkeiten zu bedienen. Solche Unternehmen können durch operative Gewinne oder andere Maßnahmen, wie z.B. Gesellschafterdarlehen, zahlungsfähig bleiben.
Die insolvenzrechtliche Überschuldung hingegen ist ein spezifischer rechtlicher Zustand, der gemäß dem deutschen Insolvenzrecht definiert ist. Sie liegt vor, wenn das Unternehmen nicht nur bilanziell überschuldet ist, sondern es auch keine positive Fortführungsprognose gibt. Das bedeutet, dass das Unternehmen nicht in der Lage ist, seine laufenden Verbindlichkeiten innerhalb eines bestimmten Zeitraums zu decken und es keine Aussicht auf eine wirtschaftliche Erholung gibt. In diesem Fall ist das Unternehmen gesetzlich verpflichtet, einen Insolvenzantrag zu stellen.
Moderator: Das heißt also, ein Unternehmen kann bilanziell überschuldet sein, ohne insolvent zu sein?
Daniel Blazek: Genau, das ist der wesentliche Punkt. Eine bilanziell überschuldete Firma kann weiter existieren, wenn sie ihre Verbindlichkeiten bedienen kann und es eine Aussicht auf Verbesserung gibt. Es gibt Unternehmen, die eine Zeit lang bilanziell überschuldet sind, aber durch operative Maßnahmen, Umstrukturierungen oder externe Finanzierungen den Turnaround schaffen.
Erst wenn keine Möglichkeit mehr besteht, die Zahlungsfähigkeit langfristig sicherzustellen, spricht man von einer insolvenzrechtlichen Überschuldung. In diesem Fall muss die Geschäftsführung einen Insolvenzantrag stellen, da ansonsten persönliche Haftung droht.
Moderator: Warum ist es dennoch gefährlich, mit einem bilanziell überschuldeten Unternehmen Geschäfte zu machen?
Daniel Blazek: Auch wenn ein bilanziell überschuldetes Unternehmen nicht sofort insolvent ist, besteht ein erhöhtes Risiko für Geschäftspartner. Wenn die finanzielle Situation weiterhin kritisch bleibt, kann das Unternehmen Schwierigkeiten bekommen, seine Verbindlichkeiten zu begleichen. Das bedeutet, dass Zahlungen ausbleiben oder verzögert werden können.
Ein weiteres Risiko ist, dass es für den Geschäftspartner schwierig sein kann, zu erkennen, wann die Grenze zwischen bilanzieller Überschuldung und insolvenzrechtlicher Überschuldung überschritten wird. Sobald das Unternehmen insolvenzrechtlich überschuldet ist und ein Insolvenzantrag gestellt wird, stehen alle Gläubiger in einer unsicheren Position, wie ich bereits erwähnt habe. Es gibt keine Garantie, dass Sie als Gläubiger Ihr Geld zurückbekommen.
Moderator: Das klingt riskant. Was sollten Geschäftspartner in solchen Situationen tun, um sich abzusichern?
Daniel Blazek: Geschäftspartner sollten sich zunächst genau über die finanzielle Lage des Unternehmens informieren, bevor sie größere Geschäfte eingehen. Ein wichtiger Schritt ist, regelmäßig die Bilanzen zu prüfen und bei Anzeichen von bilanzieller Überschuldung Vorsicht walten zu lassen. In solchen Fällen sollten Maßnahmen wie Vorkasse, Anzahlungen oder Sicherheiten in Betracht gezogen werden, um das eigene Risiko zu minimieren.
Ein weiteres Mittel ist es, Vertragsklauseln zu vereinbaren, die es ermöglichen, Lieferungen oder Leistungen zu stoppen, wenn das Unternehmen in finanzielle Schwierigkeiten gerät. Wenn möglich, können auch Bürgschaften oder andere Sicherheiten eingefordert werden, um das Risiko eines Zahlungsausfalls abzufedern.
Moderator: Gibt es rechtliche Fallstricke, wenn man mit einem bilanziell überschuldeten Unternehmen weiter Geschäfte macht?
Daniel Blazek: Ja, das gibt es. Sobald ein Unternehmen insolvenzrechtlich überschuldet ist und die Geschäftsführung die Insolvenz nicht rechtzeitig anmeldet, kann es zu einer Geschäftsführungshaftung kommen. Geschäftspartner müssen sich dann möglicherweise mit rechtlichen Konsequenzen auseinandersetzen, insbesondere wenn sie von der schlechten finanziellen Lage des Unternehmens wussten und dennoch weiter Geschäfte gemacht haben.
Außerdem besteht die Gefahr einer Insolvenzanfechtung. Das bedeutet, dass Zahlungen, die das überschuldete Unternehmen kurz vor der Insolvenz geleistet hat, vom Insolvenzverwalter zurückgefordert werden können. Dies gilt besonders, wenn der Geschäftspartner wusste oder hätte wissen müssen, dass das Unternehmen insolvenzgefährdet ist. Diese Rückforderungen können auch mehrere Monate nach der Zahlung erfolgen, was für Geschäftspartner zu unangenehmen Überraschungen führen kann.
Moderator: Zusammengefasst bedeutet das also, dass man zwar weiterhin Geschäfte mit einem bilanziell überschuldeten Unternehmen machen kann, aber große Vorsicht geboten ist?
Daniel Blazek: Absolut. Es ist entscheidend, die finanzielle Lage des Unternehmens genau zu überwachen und entsprechende Schutzmaßnahmen zu ergreifen. Es besteht immer die Möglichkeit, dass ein bilanziell überschuldetes Unternehmen eine positive Wende schafft, aber die Risiken sind hoch, insbesondere wenn sich die Situation weiter verschlechtert und das Unternehmen insolvenzrechtlich überschuldet wird. In diesen Fällen könnten Gläubiger am Ende erhebliche Verluste erleiden.
Moderator: Vielen Dank für diese wertvollen Einblicke, Herr Blazek. Es ist klar, dass es wichtig ist, die finanziellen Risiken genau zu bewerten, bevor man mit einem bilanziell überschuldeten Unternehmen Geschäfte macht.
Daniel Blazek: Es war mir eine Freude. Achten Sie immer darauf, Ihre Risiken zu minimieren und sich rechtzeitig über die finanziellen Verhältnisse Ihrer Geschäftspartner zu informieren.