Interviewer: Herr Högel, vielen Dank, dass Sie sich die Zeit für dieses Interview nehmen. In Deutschland gibt es eine Vielzahl von Anlegerschutzgesetzen. Können Sie uns erklären, warum diese Gesetze so wichtig sind?
Rechtsanwalt Maurice Högel: Sehr gerne. Anlegerschutzgesetze sind enorm wichtig, weil sie sicherstellen, dass Investoren, vor allem Kleinanleger, vor unseriösen Angeboten und Missbrauch im Finanzmarkt geschützt werden. Viele Anleger haben nicht die Fachkenntnis, um die Risiken von Finanzprodukten umfassend zu beurteilen. Die Gesetze verpflichten Finanzdienstleister zu Transparenz, zu ehrlicher Beratung und zur Bereitstellung verständlicher Informationen. Dies gibt den Anlegern die Möglichkeit, informierte Entscheidungen zu treffen und schützt sie gleichzeitig vor übermäßigem Risiko oder Betrug.
Interviewer: Welche der Anlegerschutzgesetze in Deutschland würden Sie als besonders wichtig hervorheben?
Maurice Högel: Ein besonders wichtiges Gesetz ist das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG). Es legt die Grundlage für die meisten Anlegerschutzmaßnahmen im Wertpapierhandel. Es regelt die Informationspflichten von Finanzdienstleistern und stellt sicher, dass Anleger umfassend über die Risiken und Eigenschaften der Finanzprodukte informiert werden. Zudem schreibt es eine Geeignetheitsprüfung vor, um sicherzustellen, dass die empfohlenen Produkte tatsächlich zu den Bedürfnissen und der finanziellen Situation des Anlegers passen.
Ein weiteres bedeutendes Gesetz ist das Kapitalanlagegesetzbuch (KAGB). Dieses regelt den Anlegerschutz bei Investmentfonds und alternativen Investments. Insbesondere bei geschlossenen Fonds, die oft als risikoreich gelten, bietet das KAGB wichtige Schutzmaßnahmen.
Interviewer: Ein oft diskutiertes Thema ist das Totalverlustrisiko bei Unternehmensanleihen. Können Sie erklären, was das bedeutet und wie die Gesetze hier eingreifen?
Maurice Högel: Das Totalverlustrisiko ist immer dann relevant, wenn Anleger in risikobehaftete Produkte wie Unternehmensanleihen investieren. Eine Anleihe ist im Grunde eine Schuldverschreibung. Wenn das Unternehmen, das die Anleihe herausgibt, zahlungsunfähig wird, kann der Anleger sein gesamtes investiertes Kapital verlieren.
Gesetze wie das Wertpapierhandelsgesetz oder das Kleinanlegerschutzgesetz sorgen dafür, dass diese Risiken klar kommuniziert werden müssen. Insbesondere bei risikoreichen Produkten wie Nachrangdarlehen oder partiarischen Darlehen müssen Anbieter in ihren Prospekten und Beratungen eindeutig auf das Totalverlustrisiko hinweisen. Diese Transparenz soll verhindern, dass Anleger in solche Produkte investieren, ohne sich der Risiken bewusst zu sein.
Interviewer: Sie haben das Kleinanlegerschutzgesetz erwähnt. Was genau schützt dieses Gesetz und wie wirkt es?
Maurice Högel: Das Kleinanlegerschutzgesetz, das 2015 in Kraft trat, wurde speziell entwickelt, um Kleinanleger auf dem sogenannten „grauen Kapitalmarkt“ zu schützen. Hierbei handelt es sich um Finanzprodukte, die nicht unter die volle Regulierung der Finanzmarktaufsicht fallen, wie zum Beispiel Nachrangdarlehen oder stille Beteiligungen. Diese Produkte bergen oft erhebliche Risiken, von denen viele Anleger nichts wissen.
Das Gesetz sorgt dafür, dass Unternehmen, die solche Produkte anbieten, detaillierte Prospekte erstellen müssen, die von der BaFin, der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, geprüft werden. Zudem gibt es strengere Regeln für die Werbung solcher Produkte, um Kleinanleger nicht mit aggressiven Marketingmaßnahmen zu locken.
Interviewer: Die Prospektpflicht wird oft als eine der wichtigsten Anlegerschutzmaßnahmen bezeichnet. Können Sie erklären, wie diese funktioniert?
Maurice Högel: Die Prospektpflicht ist in der Tat eine der wichtigsten Maßnahmen zum Schutz der Anleger. Sie verlangt von Unternehmen, die Wertpapiere oder andere Finanzprodukte anbieten, einen Emissionsprospekt zu erstellen. Dieser Prospekt muss detaillierte Informationen über das Unternehmen, das Finanzprodukt, die Risiken, die Chancen und die rechtlichen Rahmenbedingungen enthalten.
Ein solcher Prospekt muss von der BaFin genehmigt werden, bevor das Produkt auf den Markt gebracht wird. Das stellt sicher, dass Anleger ein umfassendes und korrektes Bild des Produkts und des Unternehmens erhalten, bevor sie investieren. Das Ziel ist es, die Transparenz zu erhöhen und den Anlegern alle relevanten Informationen zugänglich zu machen, damit sie fundierte Entscheidungen treffen können.
Interviewer: Sie haben bereits den grauen Kapitalmarkt angesprochen. Inwieweit schützt das Kleinanlegerschutzgesetz hier die Anleger?
Maurice Högel: Der graue Kapitalmarkt ist besonders riskant, weil er Bereiche umfasst, die weniger streng reguliert sind als der traditionelle Finanzmarkt. Hier sind vor allem Kleinanleger oft gefährdet, da sie nicht immer die Risiken und Hintergründe solcher Produkte verstehen.
Das Kleinanlegerschutzgesetz stellt sicher, dass die Transparenz auf diesem Markt deutlich erhöht wird. Es zwingt Anbieter dazu, einen Prospekt vorzulegen und die Anleger über alle wesentlichen Risiken zu informieren. Zudem schränkt das Gesetz die aggressive Werbung für solche Produkte stark ein, damit Anleger nicht durch falsche Versprechen in risikoreiche Produkte gelockt werden. Die BaFin hat darüber hinaus die Möglichkeit, im Falle besonders riskanter Angebote oder unseriöser Anbieter Warnungen auszusprechen.
Interviewer: Herr Högel, was raten Sie Anlegern, die in solche Produkte investieren möchten? Worauf sollten sie achten?
Maurice Högel: Mein Rat an Anleger wäre, sich immer gründlich zu informieren und sich nicht von hohen Renditeversprechen blenden zu lassen. Hohe Zinsen sind in der Regel immer mit hohen Risiken verbunden. Es ist wichtig, die Prospekte sorgfältig zu lesen und zu verstehen, welche Risiken das jeweilige Finanzprodukt birgt.
Außerdem empfehle ich, die Diversifikation nicht zu vergessen. Man sollte niemals sein gesamtes Kapital in ein einziges Produkt oder eine Anlageklasse investieren. Eine breite Streuung des Portfolios hilft, das Risiko zu reduzieren. Und letztlich: Wenn Sie sich unsicher sind, holen Sie sich unbedingt eine unabhängige Beratung bei einem Experten. Der Schutz der Anlegergesetze ist wichtig, aber letztlich trägt jeder Investor auch eine eigene Verantwortung für seine Entscheidungen.
Interviewer: Vielen Dank für das informative Gespräch, Herr Högel.
Maurice Högel: Sehr gerne! Es war mir eine Freude.