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Interview mit Rechtsanwalt Jens Reime zum Thema „Kostenlose Online-Trading-Kurse und die Risiken von Trading-Angeboten“

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Tumisu (CC0), Pixabay

IG Group Angebot


Moderatorin: Herr Reime, vielen Dank, dass Sie sich heute Zeit genommen haben. Wir möchten mit Ihnen über ein spezifisches Angebot sprechen, das kostenlose Online-Trading-Kurse bewirbt. Die Plattform bietet unter anderem interaktive Kurse und Webinare für Anfänger bis hin zu Fortgeschrittenen an. Dabei geht es um Themen wie den Handel mit CFDs, Hebelwirkung, technischer Analyse und Risikomanagement. Was ist Ihre erste Einschätzung zu diesem Angebot?

Jens Reime: Vielen Dank für die Einladung. Auf den ersten Blick wirkt das Angebot durchaus ansprechend und seriös. Es ist gut strukturiert und bietet für unterschiedliche Erfahrungsniveaus maßgeschneiderte Inhalte, was prinzipiell positiv ist. Allerdings gibt es bei solchen Angeboten mehrere Punkte, auf die ich potenzielle Nutzer hinweisen würde. Besonders wenn es um hochspekulative Finanzprodukte wie CFDs oder den Einsatz von Hebelprodukten geht, müssen die Risiken klar kommuniziert werden. In der Praxis sehe ich leider oft, dass Trader die potenziellen Gefahren unterschätzen, was zu erheblichen finanziellen Verlusten führen kann.

Moderatorin: Der Anbieter wirbt stark mit kostenlosen Kursen und Webinaren. Gibt es aus rechtlicher Sicht bei solchen kostenlosen Angeboten etwas, das Verbraucher beachten sollten?

Jens Reime: Absolut. Oftmals sind diese „kostenlosen“ Kurse und Webinare nur ein Einstiegspunkt, um Kunden für andere, kostenpflichtige Dienstleistungen oder Produkte zu gewinnen. Hier sollten Verbraucher stets skeptisch sein. Häufig sind die kostenlosen Angebote mit dem Ziel verknüpft, die Teilnehmer emotional zu binden und sie in Richtung spekulativer Produkte wie CFDs zu lenken, die hohe Risiken bergen. Ein weiterer Aspekt ist, dass viele Plattformen durch diese Kurse eine gewisse „Vertrauensbasis“ schaffen wollen, sodass Nutzer eher geneigt sind, ihr Geld in risikoreiche Finanzprodukte zu investieren. Der Anbieter hat in seinem Disclaimer zwar auf die Risiken des Tradings hingewiesen, aber oft ist dieser Hinweis für Anfänger nicht ausreichend verständlich. Das ist aus rechtlicher Sicht problematisch, da die Plattformen eine Aufklärungspflicht haben.

Moderatorin: Sie erwähnten CFDs (Contracts for Difference) als besonders riskant. In dem Angebot gibt es Kurse zum Thema „Wie funktioniert der CFD-Handel?“ und „Wie man Barriers und Knock-Out-Zertifikate handelt“. Was ist rechtlich bei solchen Produkten zu beachten, und warum gelten sie als so riskant?

Jens Reime: CFDs und andere Hebelprodukte wie Barriers oder Knock-Out-Zertifikate sind hochspekulative Finanzprodukte, die es Tradern ermöglichen, mit einem vergleichsweise kleinen Einsatz hohe Positionen zu handeln. Das Problem dabei ist, dass der Einsatz von Hebelwirkung die potenziellen Verluste vervielfachen kann. Viele Anfänger verstehen nicht, dass sie nicht nur das eingesetzte Kapital verlieren können, sondern unter Umständen auch mehr als ihren Einsatz. Wenn die Plattform den CFD-Handel bewirbt, muss sie ihre Nutzer ausdrücklich auf diese Risiken hinweisen und verständliche Informationen dazu bereitstellen. In der Praxis habe ich jedoch häufig Mandanten, die nicht ausreichend über die Risiken aufgeklärt wurden und enorme finanzielle Verluste erlitten haben.

Rechtlich gesehen ist das Hauptproblem, dass einige Anbieter sich durch sehr allgemeine Risikohinweise absichern wollen, ohne im Detail auf die spezifischen Gefahren der einzelnen Finanzprodukte einzugehen. Diese pauschalen Hinweise reichen jedoch häufig nicht aus, um die umfassende Aufklärungspflicht zu erfüllen, die besonders im Bereich hochspekulativer Finanzprodukte erforderlich ist.

Moderatorin: Wie verhält es sich mit der rechtlichen Verantwortlichkeit, wenn ein Anleger aufgrund von unzureichender Aufklärung Geld verliert? Kann der Trader den Anbieter haftbar machen?

Jens Reime: Das hängt stark vom Einzelfall ab. Grundsätzlich gibt es eine Möglichkeit, den Anbieter haftbar zu machen, wenn nachweisbar ist, dass der Anbieter seinen Pflichten zur ordnungsgemäßen Aufklärung nicht nachgekommen ist. Diese Pflichten umfassen nicht nur allgemeine Risikohinweise, sondern auch die konkrete und verständliche Aufklärung über die Funktionsweise und die Risiken der gehandelten Produkte, insbesondere wenn es sich um Hebelprodukte handelt.

Allerdings befinden sich viele Anbieter außerhalb der EU oder operieren mit einer Lizenz aus einem Drittstaat. Das erschwert die Durchsetzung rechtlicher Ansprüche erheblich. Zudem nutzen manche Anbieter auch bestimmte Klauseln in ihren Allgemeinen Geschäftsbedingungen, um ihre Haftung einzuschränken. Es ist daher für Anleger besonders wichtig, vor der Nutzung solcher Angebote die Geschäftsbedingungen sorgfältig zu prüfen und im Zweifel rechtlichen Rat einzuholen.

Moderatorin: Ein weiteres Thema in den Kursen ist das Risikomanagement. Glauben Sie, dass solche Kurse eine ausreichende Basis für Einsteiger bieten, um das Risiko zu verstehen und zu minimieren?

Jens Reime: Hier wäre ich vorsichtig. Theoretisch sind Kurse zum Thema Risikomanagement sinnvoll und wichtig, aber sie ersetzen keineswegs die praktische Erfahrung oder eine detaillierte individuelle Beratung. In den meisten Fällen lernen Einsteiger in diesen Kursen zwar grundlegende Konzepte wie das Setzen von Stop-Loss-Orders oder die Diversifikation von Anlagen, aber das tatsächliche Risiko, insbesondere bei hochspekulativen Produkten wie CFDs, bleibt bestehen.

Was ich als problematisch empfinde, ist, dass viele dieser Kurse den Eindruck erwecken, dass man durch ein gutes Risikomanagement das inhärente Risiko des Tradings vollständig kontrollieren oder minimieren könnte. Das ist jedoch bei volatilen Märkten und Hebelprodukten schlichtweg nicht der Fall. In meinen Augen könnten solche Kurse in manchen Fällen auch zu einem falschen Sicherheitsgefühl führen, was dazu verleitet, riskantere Entscheidungen zu treffen, als man es ohne den Kurs tun würde.

Moderatorin: Zum Abschluss: Was würden Sie Anfängern raten, die durch solche Kurse oder kostenlose Webinare in das Trading einsteigen wollen?

Jens Reime: Mein erster Rat wäre, nicht allein auf solche Kurse zu vertrauen. Wie bereits gesagt, können sie eine erste Orientierung bieten, aber sie ersetzen keine fundierte finanzielle Beratung oder Erfahrung. Es ist auch wichtig, immer nur Geld zu investieren, das man sich leisten kann zu verlieren, und sich bewusst zu sein, dass es sich bei Produkten wie CFDs um hochspekulative Instrumente handelt.

Anfängern rate ich außerdem, sich intensiv mit den allgemeinen Geschäftsbedingungen der Plattformen auseinanderzusetzen und im Zweifel rechtlichen Rat einzuholen, bevor sie Geld investieren. Kostenlose Kurse sind oft nur der Einstieg in eine Geschäftsbeziehung, die schnell sehr teuer werden kann. Und wie immer gilt: Wenn ein Angebot zu gut klingt, um wahr zu sein, ist es das wahrscheinlich auch.

Moderatorin: Vielen Dank für Ihre ausführlichen und wertvollen Einblicke, Herr Reime.

Jens Reime: Gern geschehen.

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