Interviewer: Herr Högel, warum ist Verbraucherschutz in unserer heutigen Gesellschaft so wichtig?
Maurice Högel: Verbraucherschutz ist von entscheidender Bedeutung, weil wir in einer Welt leben, in der Märkte nicht immer so funktionieren, wie sie es sollten. Unternehmen verfolgen oft ihre eigenen Interessen und werden ihrer sozialen Verantwortung nicht immer gerecht. Ohne einen starken Verbraucherschutz wären die Bürger diesen Marktkräften weitgehend schutzlos ausgeliefert. Der Grundsatz „Eigentum verpflichtet“, der im Grundgesetz verankert ist, bildet die Basis unserer sozialen Marktwirtschaft. Theoretisch sollte dieser Grundsatz zu einem Wettbewerb der besten Produkte und Dienstleistungen führen. Aber in der Realität sieht das leider oft anders aus.
Interviewer: Welche Rolle spielen die Verbraucherzentralen in diesem Kontext?
Maurice Högel: Die Verbraucherzentralen sind essenziell für den Alltag der Menschen. Sie bieten tagtäglich Unterstützung, sei es bei Problemen mit Handyverträgen, beim Energiesparen im Haushalt oder bei der Überprüfung von Versicherungsverträgen. Durch ihre Marktbeobachtungen deckt der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) Fehlentwicklungen auf und sorgt dafür, dass diese öffentlich gemacht werden. Das zeigt uns immer wieder, dass selbst bestehendes Recht oft nicht ausreicht, um Verbraucher vor Benachteiligung oder Betrug zu schützen.
Interviewer: Inwiefern sollte der Verbraucherschutz in der politischen Agenda verankert sein?
Maurice Högel: Verbraucherschutz betrifft uns alle. Er sollte daher immer im Mittelpunkt der politischen Agenda stehen – nicht nur in Krisenzeiten oder nach Skandalen. Gerade in unsicheren Zeiten ist es wichtig, dass die Rahmenbedingungen für das alltägliche Leben so sicher wie möglich gestaltet sind. Interessanterweise sehen 84 Prozent der Menschen die Verantwortung für den Verbraucherschutz bei der Politik, aber nur 24 Prozent vertrauen darauf, dass die Politik diese Aufgabe auch tatsächlich erfüllt. Dieses Vertrauen ist jedoch entscheidend, denn die Verbraucher müssen auf eine sichere Zukunft und ein faires Miteinander mit der Wirtschaft bauen können.
Interviewer: Wie kann die Politik die Verbraucher besser unterstützen?
Maurice Högel: Verbraucherbildung und -information sind hier Schlüsselbegriffe. Diese helfen den Menschen, die wirtschaftlichen, sozialen und ökologischen Auswirkungen ihrer Kaufentscheidungen besser zu verstehen. Aber es ist wichtig, dass die Verantwortung nicht allein auf den Schultern der Verbraucher lastet. Die Politik muss Rahmenbedingungen schaffen, die Schutz, Orientierung und Selbstbestimmung gewährleisten. Gleichzeitig sollte die Rolle der Verbraucherals aktive Mitgestalter, beispielsweise in der Energiewende oder bei der Überwachung des Marktes, gestärkt werden.
Interviewer: Sie sprechen von einer sich wandelnden Gesellschaft. Welche Herausforderungen sehen Sie hier?
Maurice Högel: Die Gesellschaft wird immer differenzierter, und das spiegelt sich auch in den Konsummustern und Bedürfnissen der Verbraucher wider. Unterschiedliche Lebensbereiche erfordern unterschiedliche Kompetenzen. So kann dieselbe Person im Digitalmarkt als kompetent gelten, im Finanzmarkt jedoch als besonders schutzbedürftig. Diese Differenzierung zu verstehen, ist wichtig, um den Verbraucherschutz effektiv zu gestalten und politische Entscheidungen an der Lebensrealität der Menschen auszurichten.
Interviewer: Nachhaltigkeit und Klimaschutz sind große Themen unserer Zeit. Wie spielt der Verbraucherschutz hier eine Rolle?
Maurice Högel: Der Verbraucherschutz geht heute weit über den bloßen Preisvergleich hinaus. Klimaschutz und nachhaltiger Konsum sind zentrale Zukunftsthemen. 75 Prozent der Menschen fordern, dass die Regierung auch in der Energiepreiskrise den Klimaschutz vorantreibt. Das zeigt, wie wichtig diese Themen für die Gesellschaft geworden sind. Nachhaltiger Konsum erfordert allerdings auch nachhaltige Produkte, und dafür braucht es klare, verlässliche Regeln. Der vzbv setzt sich für faire Produktionsbedingungen und transparente Verbraucherinformationen ein, um den Weg zu einem nachhaltigeren Konsum zu ebnen.
Interviewer: Wie wirken sich Globalisierung und Digitalisierung auf den Verbraucherschutz aus?
Maurice Högel: Globalisierung und Digitalisierung sind zwei der größten Herausforderungen des 21. Jahrhunderts, die längst im Verbraucheralltag angekommen sind. Grundlegende Rechte, Schutz und Sicherheit beim Umgang mit Daten und digitalen Anwendungen sind für die Menschen von größter Bedeutung. In einer Zukunft, die stark von künstlicher Intelligenz und Algorithmen geprägt sein wird, ist es unerlässlich, dass der Verbraucherschutz Schritt hält und diese Entwicklungen im Sinne der Verbraucher gestaltet.
Interviewer: Was ist Ihr Fazit zum Thema Verbraucherschutz?
Maurice Högel: Verbraucherprobleme lösen sich nicht von alleine. Es bedarf starker Verbündeter und einer klaren Stimme, die die Interessen der Verbrauchervertritt. Der Verbraucherzentrale Bundesverband ist ein solcher Anwalt und spielt eine zentrale Rolle im Verbraucherschutz in Deutschland und Europa. Ein starker Verbraucherschutz ist nicht nur gut für die Menschen, sondern stärkt auch die Wirtschaft und unsere Demokratie.