Start Justiz vorl. Sicherungsmaßnahmen Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Landgericht Frankenthal (Pfalz)

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qimono (CC0), Pixabay

Landgericht Frankenthal (Pfalz)

Beschluss

1 Ks 5320 Js 24341/​23

In dem Strafverfahren gegen

Can Nevzat Parmakerli,
geboren am 12.11.1958 in Balikesir/​Türkei, verheiratet, Staatsangehörigkeit: deutsch, – unbekannten Aufenthalts –

Verteidiger:     Rechtsanwalt Oliver C. Scheffler, Rheinbabenallee 29, 14199 Berlin

wegen Totschlags

Hier: Anordnung der Beschlagnahme gemäß § 290 StPO

hat die 1. Strafkammer des Landgerichts Frankenthal (Pfalz) durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Hütt, die Richterin am Landgericht van Daele-Hunt und die Richterin Dinkheller am 16.08.2023 beschlossen:

Die Beschlagnahme des im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland befindliche Vermögen des Angeschuldigten Can Nevzat Parmakerli wird gemäß § 290 StPO angeordnet

Gründe:

I.

Der Angeschuldigte ist dringend verdächtig, am 18.6.2023 den Geschädigten Berly Arturo Cruz Ymatos in dessen Dachgeschosswohnung in der Hauptstraße 49 in 67273 Weisenheim am Berg durch Gewalt gegen den Hals vorsätzlich getötet zu haben. Der Angeschuldigte soll die Halsweichteile des Geschädigten auf nicht näher bekannte Art und Weise komprimiert und hierdurch intensive Einblutungen sowie eine Fraktur des rechten Kehlkopfhorns verursacht haben. Durch die Kompression kam es zu einem zentralen Regulationsversagen, an dem der Geschädigte verstarb.

Dies ist strafbar als Totschlag gemäß § 212 StGB.

Das Amtsgericht Frankenthal hat am 10.7.2023 Haftbefehl, Az. 4a Gs 127/​23, gegen den Angeschuldigten wegen des Haftgrunds der Flucht erlassen, dieser wurde am 12.7.23 hinsichtlich der Tatzeit korrigiert. Am 12.7.2023 wurde europäischer Haftbefehl erlassen. Die Staatsanwaltschaft hat diesen international ausgeschrieben (SB Haft).

Nach derzeitigem Erkenntnisstand ist zu vermuten, dass sich der Angeschuldigte inzwischen in der Türkei aufhält. Hintergrund hierfür dürfte sein, dass der Angeschuldigte von den Ermittlungen im hiesigen Verfahren gegen seine Person erfahren hat.

Da der Angeschuldigte zwar deutscher Staatsangehöriger ist, aber über türkische Wurzeln verfügt (er wurde in der Türkei geboren und hat die türkische Staatsbürgerschaft erst am 1.9.1993 verloren), steht eine Auslieferung durch die türkischen Behörden an die Bundesrepublik Deutschland zumindest derzeit nicht im Raum, zumal der genaue Aufenthaltsort bisher nicht bekannt ist.

Mit Anklageschrift vom 14.8.2023 hat die Staatsanwaltschaft Frankenthal Anklage wegen Totschlags zu der 1. Großen Strafkammer – Schwurgericht – des Landgerichts Frankenthal erhoben. Eine Zustellung der Anklageschrift an den Angeschuldigten konnte wegen dessen Abwesenheit noch nicht erfolgen, die Anklageschrift wurde jedoch seinem Verteidiger, RA Scheffler, am 16.8.2023 per beA zugestellt.

Mit der Anklageschrift vom 14.8.2023 hat die Staatsanwaltschaft zugleich auch die Vermögensbeschlagnahme gemäß § 290 StPO beantragt.

II.

Die Voraussetzungen des § 290 StPO waren vorliegend gegeben.

Der Angeschuldigte ist nach den bisherigen Ermittlungen der angeklagten Tat dringend verdächtig. Der Beschlagnahme steht auch nicht entgegen, dass der Angeschuldigte mangels Zustellungsmöglichkeit noch keine Kenntnis von der Anklageschrift haben kann oder, dass diese auch zum Zweck der Vermögensbeschlagnahme zu diesem Zeitpunkt schon erhoben wurde (vgl. Mü-Ko zur StPO, 2016, § 290 Rn 2).

Vorliegend ist der Haftgrund der Flucht gemäß § 112 Abs. 2 Nr. 1 StPO gegeben. Der Angeschuldigte hat sich in Kenntnis des gegen ihn laufenden Ermittlungsverfahrens vermutlich in die Türkei abgesetzt, um sich dem hiesigen Strafverfahren dauerhaft zu entziehen. Bereits bei der Durchsuchung am 20.6.2023 wurde er über die polizeilichen Ermittlungen informiert, hierbei äußerte er, noch bevor man ihm den Grund für die Durchsuchung nennen konnte, gegenüber den Polizeibeamten, dass es doch nicht sein könne, dass man wegen des Todes eines Säufers so einen Wirbel veranstalte. Hierbei räumte er auch ein, am Tattag Streit mit dem Geschädigten gehabt und diesen entlassen zu haben. Des Weiteren rief er, dass er sei kein Mörder sei, sondern sich der Geschädigte zu Tode gesoffen habe (Bericht Bl. 165 d.A.). Bei der zweiten Durchsuchung am 27.6.2023 war er für die Ermittlungsbehörden nicht mehr greifbar und unbekannten Aufenthalts. Dennoch mandatierte er am selben Tag RA Scheffler als seinen Verteidiger im hiesigen Strafverfahren, nachdem seine Frau informiert und belehrt wurde, dass er nunmehr als Beschuldigter im hiesigen Verfahren geführt wird.

Entsprechend wurde am 10.7.2023 vom Amtsgericht Frankenthal auch der von der Staatsanwaltschaft beantragte Haftbefehl erlassen und im Nachgang international ausgeschrieben.

Die Beschlagnahme ist auch ein geeignetes, erforderliches und angemessenes Mittel, um die Gestellung des Angeschuldigten vorliegend zu fördern. Der Angeschuldigten ist zur Hälfte Eigentümer des Lokals „Solo“ in Weisenheim am Berg (Grundbucheintrag, Bl. 614). Die andere Hälfte wird von der GBR „Parmakerli, Parmakerli & Fischer“ gehalten, deren Geschäftsvermögen zu jeweils 47 Prozent von den beiden Söhnen des Angeschuldigten gehalten wird und zu 6 Prozent von Dr. Hans Fischer, bei dem es sich laut eigenen Angaben, nur um einen stillen Teilhaber handelt (Gesellschaftsvertrag, Bl. 710 d.A., Aussage Bl. 762 d.A.). Laut dessen Aussage bemüht sich die Ehefrau des Angeschuldigten im Auftrag der beiden Söhne derzeit darum, das Lokal samt Grundstück zu verkaufen. Die Ehefrau plant ihre Boutique, die an das Lokal angeschlossen ist, an einem anderen Ort fortzuführen. Durch die Beschlagnahme kann eine finanzielle Unterstützung des sich nunmehr in der Türkei befindlichen Angeschuldigten unterbunden werden. Anhaltspunkte dafür, dass der Angeschuldigte, der nur über die deutsche Staatsbürgerschaft verfügt, erhebliche finanzielle Vermögenswerte in der Türkei oder sonst im Ausland besitzt, liegen nicht vor. Es ist daher davon auszugehen, dass die Einkünfte aus dem Lokal bisher der Sicherung des Lebensunterhalts des Angeschuldigten und seiner Familie dienten und er nicht auf größere Vermögenswerte zurückgreifen kann, um sich auch weiterhin ein Leben im Ausland zu finanzieren. Insoweit ist die Beschlagnahme geeignet, beim Angeschuldigten eine finanzielle Notlage herbeizuführen, die ihn zu einer Rückkehr nach Deutschland bewegen könnte.

Die Beschlagnahme ist auch erforderlich. Ein milderes Mittel steht der Kammer nicht zur Verfügung. Ein Abwesenheitsverfahren ist vorliegend nicht möglich. Dass der Angeschuldigte sich auch ohne diese Anordnung in absehbarer Zukunft dem Strafverfahren stellen wird, ist nach derzeitigem Kenntnisstand nicht zu erwarten.

Die Anordnung stellt auch keine unbillige Härte dar. Zwar gehört jeweils ein Viertel des Lokals den Söhnen des Angeschuldigten und dient somit auch deren Lebensunterhalt, jedoch sollte das Lokal nach deren Willen nicht weiter betrieben, sondern zeitnah verkauft werden. Zudem sind beide Söhne erwachsen und verfügen wie auch die Ehefrau des Angeklagten über eine Berufsausbildung bzw. anderweitige Berufe. Der Sohn Danian Parmakerli ist als Pilot tätig, der jüngere Sohn Sinan Parmakerli verfügt über ein abgeschlossenes Architekturstudium, die Ehefrau des Angeklagten ist Betreiberin einer Boutique, die an das Café angegliedert ist.

Die Vermögensbeschlagnahme steht auch nicht außer Verhältnis zu der Bedeutung des Tatvorwurfs. Im Verurteilungsfall erwartet den Angeschuldigten eine erhebliche Freiheitsstrafe nicht unter 5 Jahren. Eine übermäßige, nicht mehr zumutbare Belastung für den Angeschuldigten ist hierin derzeit nicht zu sehen.

 

Hütt van Daele-Hunt Dinkheller
Vorsitzende Richterin
am Landgericht
Richterin
am Landgericht
Richterin

 

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