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Haftung wegen der Verwendung gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässiger Abschalteinrichtungen
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Haftung wegen der Verwendung gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässiger Abschalteinrichtungen

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LG Freiburg Urteil vom 26.2.2021, 14 O 333/20

Haftung wegen der Verwendung gemäß Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässiger Abschalteinrichtungen

Leitsätze

Der Motorenhersteller eines mit einer italienischen Typengenehmigung in den Verkehr gebrachten Fahrzeugs haftet gegenüber dem Erwerber des Fahrzeugs in Deutschland nicht aus § 826 BGB wegen der Verwendung gemäß Artikel 5 Absatz 2 VO Nr. 715/2007 unzulässiger Abschalteinrichtungen im Motor des Fahrzeugs.

Tenor

 

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert wird auf 69.459,- Euro festgesetzt.

Tatbestand

1
Die Klagepartei macht gegenüber der Beklagtenpartei einen Schadensersatzanspruch aus dem Erwerb eines Fahrzeugs geltend, in welchem ein von der Beklagtenpartei hergestellter Motor verbaut ist.
I.
2
Die Klagepartei erwarb am 02.06.2015 ein Fahrzeug der Marke Dethleffs Esprit T 7150 EB mit der Fahrzeugidentifikationsnummer … (im Folgenden „Klägerfahrzeug“) bei der … GmbH als Neuwagen zu einem Kaufpreis von 69.459,- Euro. Das Klägerfahrzeug wurde am 08.09.2015 an den Kläger übergeben. Dem Betrieb des Klägerfahrzeugs liegt eine italienische EG-Typengenehmigung zu Grunde.
3
Bei dem Klägerfahrzeug handelt es sich um ein Fahrzeug, bei dem ein von der Beklagtenpartei entwickelter und eingesetzter Motor des Typs … Ducato MJ 150 Light 148 PS verbaut ist. Der Motor des Klägerfahrzeugs ist mit verschiedenen Abschalteinrichtungen ausgestattet, die dafür sorgen, dass Emissionsgrenzwerte lediglich auf dem Prüfstand, aber nicht im Straßenverkehr erreicht werden. Im Einzelnen setzt die Beklagtenpartei in ihren Fahrzeugen unter anderem Abschalteinrichtungen in Gestalt einer Abschaltung der Abgasreinigung nach einem Zeitfenster sowie in Gestalt eines Thermofensters ein.
4
Hätte die Klagepartei gewusst, dass das Klägerfahrzeug nur mithilfe unterschiedlicher Abschalteinrichtungen die Abgasnorm auf dem Prüfstand erfülle, hätte sie von dem Erwerb des Klägerfahrzeugs Abstand genommen.
5
Inhalt und Umfang der im Motor des Klägerfahrzeugs verbauten Abschalteinrichtungen waren der Führungsebene der Beklagtenpartei von Beginn an bekannt. Entweder hat ein Repräsentant der Beklagtenpartei den Verbau der Abschalteinrichtungen direkt veranlasst oder ein Mitarbeiter ist an einen Repräsentanten herangetreten und der Repräsentant hat diese gebilligt. Im Rahmen der Entwicklung und Produktion von Motoren ergeht bei der Beklagtenpartei keine wesentliche Entscheidung, ohne dass ein Repräsentant direkt oder durch eine von ihm bestimmte Person hiervon Kenntnis erlangt und den Vorgang billigt.
6
Die Beklagtenpartei hat die Motoren einer Vielzahl von Fahrzeugen vorsätzlich aus reinem Gewinnstreben mit Abschalteinrichtungen ausgestattet und dabei die Schädigung von Gesundheit und Umwelt zumindest billigend in Kauf genommen. Der Klagepartei ist dadurch ein Schaden entstanden.
7
Im Mai 2016 forderte das Kraftfahrtbundesamt die Beklagtenpartei und die italienische Zulassungsbehörde dazu auf, Maßnahmen zu ergreifen, um sicherzustellen, dass die von der Beklagtenpartei hergestellten Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ in Übereinstimmung gebracht werden.
8
Der EU-Mitgliedsstaat Italien verhinderte weder den Verkauf noch die weitere Zulassung von Fahrzeugen der Beklagtenpartei.
9
Im Mai 2017 leitete die EU-Kommission aufgrund des … ein Vertragsverletzungsverfahren gegen die italienische Regierung ein.
10
Ebenfalls 2017 kam es in den USA zu Ermittlungen gegen die Beklagtenpartei.
11
In den USA zahlte die Beklagtenpartei 2019 in einem Vergleichsverfahren rund 800 Millionen Dollar Strafe wegen möglicher Dieselmanipulationen.
12
Der aktuelle Kilometerstand des Klägerfahrzeugs beträgt 18.916 Kilometer.
II.
13
Die Klagepartei meint, dass ihr aufgrund des Verbaus von gemäß Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 unzulässigen Abschalteinrichtungen im Motor des Klägerfahrzeugs ein Anspruch auf Schadensersatz gegen die Beklagtenpartei zustehe. Die Feststellungen der italienischen Typengenehmigungsstelle seien unerheblich. Es sei nicht auszuschließen, dass die italienische Prüfungsbehörde bestimmte Strategien bis zum heutigen Tag immer noch nicht aufdecken habe können oder aufdecken habe wollen. Die Prüfbehörde verfüge nicht über die notwendigen Mittel, um ein abschließendes Ergebnis für alle Fahrzeuge liefern zu können. Den in Deutschland lebenden Inhabern von Fahrzeugen mit dem klägerischen Motortyp drohe ein von Seiten des Kraftfahrtbundesamts angeordneter Rückruf. Sollte eine Teilnahme am Rückruf verweigert werden, drohe eine Betriebsuntersagung. Ein Software-Update stelle dabei einen schwerwiegenden Eingriff in die Steuerungssoftware der betroffenen Fahrzeuge da. Die Klagepartei könne des Weiteren mit Steuernachzahlungen konfrontiert werden.
14
Die Klagepartei meint des Weiteren, dass vorliegend die deutschen Gerichte zuständig seien, obwohl die Beklagtenpartei als Motorherstellerin ihren rechtlichen Sitz in den Niederlanden habe. Dies ergebe sich aus der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-343/19 und Art. 4 Abs. 1 ROM-II-VO. Vorliegend sei das Fahrzeug in Deutschland erworben worden, sodass die Klägerpartei hier den Vermögensschaden erlitten habe und auf Grund des ihr zustehenden Wahlrechts aus Art. 4 Abs. 1 ROM-IIVO i.V.m. Art. 3 Abs. 1 Rom I-VO deutsches Recht zur Anwendung bringen möchte.
15
Die Klagepartei meint ferner, dass die … AG die deutsche Zweigniederlassung der Beklagtenpartei sei. Es entspreche einhelliger Auffassung, dass eine Auslandszustellung nicht veranlasst sei, wenn der Schuldner über eine Zweigniederlassung im Inland verfüge. Es bestehe daher keine Veranlassung, die Voraussetzungen einer Ersatzzustellung gemäß § 178 ZPO einer Prüfung zu unterziehen. Bei der Zustellung der Klageschrift an die … AG handle es sich nicht um eine ersatzweise Zustellung an die Beklagtenpartei, sondern um eine Zustellung an die Beklagtenpartei selbst. Die Zustellung der Klageschrift an die … AG sei in rechtlicher Hinsicht vor dem Hintergrund, dass eine Partei auf Beklagtenseite nicht nur an ihrem Hauptsitz, sondern auch an jedem Ort ihrer Niederlassung verklagt werden könne, als an die Beklagtenpartei selbst bewirkt anzusehen. Bei der … AG handle es sich um diejenige Gesellschaft, die für die Beklagtenpartei alle Tätigkeiten in Deutschland wie Vertrieb, Ersatzteillieferung und Koordination der Händler übernehme. Über die Homepage www…..de würden die Fahrzeuge der Beklagtenpartei vertrieben und angeboten werden. Ausweislich des Impressums der der Beklagtenpartei zuzurechnenden Internetseite www…..de sei die … AG die Betreiberin der Homepage. Es handle sich bei der … AG um eine typische Niederlassung der Beklagtenpartei im Ausland.
16
Die Klagepartei stellt den Klageantrag:
17
Es wird festgestellt, dass die Beklagtenpartei verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu leisten für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs … Esprit 7150 EB, FIN: … durch die Beklagtenpartei resultieren
18
und beantragt den Erlass eines Versäumnisurteils.
19
Zur Ergänzung des Tatbestandes wird Bezug genommen auf sämtliche Schriftsätze der Klagepartei nebst zugehöriger Anlagen und die übrigen Aktenbestandteile.
III.
20
Im vorliegenden Fall fand am 2021 die mündliche Verhandlung statt, in deren Verlauf das Gericht an die Klagepartei und die Beklagtenpartei Hinweise erteilt hat.
21
Hinsichtlich des Verlaufs der mündlichen Verhandlung wird auf das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 2021 (Bl. d.A.) verwiesen.

Entscheidungsgründe

22
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I.
23
Die Rechtshängigkeit der Klage liegt vor, indem die Klage der Beklagtenpartei wirksam zugestellt worden ist.
24
Die am 2020 erfolgte Einlage der Klageschrift in den zur Anschrift „…“ gehörenden Briefkasten der … AG stellt sich im vorliegenden Fall nämlich als wirksame Ersatzzustellung in einem Geschäftsraum der Beklagtenpartei durch Einlegen in den Briefkasten im Sinne von §§ 178 Absatz 1 Nr. 2, 180 Satz 1 ZPO dar.
25
Ein ausländisches Unternehmen muss sich nämlich den durch sein eigenes prozessuales und vorprozessuales Verhalten gesetzten Rechtsschein einer zustellungsfähigen Geschäftsanschrift im Inland für den Fall einer erfolgten Zustellung zurechnen lassen. Die tatsächlichen Voraussetzungen einer solchen Zurechnung der Zustellung kraft Rechtsscheins sind erfüllt, wenn zureichende tatsächliche Umstände dafür vorhanden sind, dass sich ein ausländisches Unternehmen allgemein in der Öffentlichkeit als Gewerbetreibende mit einem Geschäftsraum unter einer Adresse im Inland ausgegeben hat (Hanseatisches Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss vom 06. September 2005 – 5 W 71/05 –, juris).
26
Im vorliegenden Fall sind bei der gebotenen Gesamtbetrachtung die von der Klagepartei in Bezug auf die … AG vorgetragenen tatsächlichen Umstände ausreichend tragfähig, um die Existenz eines zustellungsgeeigneten Geschäftsraums der Beklagtenpartei unter der Anschrift „…“ zu belegen.
27
Diesbezüglich ist maßgeblich in Ansatz zu bringen, dass die Beklagtenpartei im Hinblick auf die Kürzel des Unternehmensnamen der … AG im Wesentlichen entspricht und im Impressum der der Beklagtenpartei vermittels deren Bezeichnung als „…“ zuzuordnenden Internetseite www…..de die … AG mit der Anschrift und der Mailadresse @ als alleiniger Ansprechpartner genannt wird.
II.
28
Die Klagepartei hat nicht substantiiert darlegen können, dass ihr gegen die Beklagtenpartei aus dem Inverkehrbringen des Motors des Klägerfahrzeugs ein Schadensersatzanspruch zusteht.
29
1. Vertragliche Schadensersatzansprüche
30
Zunächst sind Ansprüche der Klagepartei gegen die Beklagtenpartei aus Vertrag oder vertragsähnlicher Haftung nicht gegeben.
31
1.1. Vertrag
32
Schadensersatzansprüche aus Vertragsverletzung stehen der Klagepartei nicht zu, da sie nicht dargelegt hat, dass es im Zusammenhang mit dem Erwerb des Klägerfahrzeugs zur Begründung eines vertraglichen Verhältnisses zwischen Klagepartei und der Beklagtenpartei gekommen ist. Der von der Klagepartei im Hinblick auf den Erwerb des Klägerfahrzeugs vorgelegten Anlage K 20 lässt sich nämlich die GmbH als Verkäuferin des Klägerfahrzeugs entnehmen.
33
1.2. Sachwalterhaftung
34
Die Klagepartei hat im vorliegenden Fall auch nicht schlüssig dargelegt, dass die Beklagtenpartei aufgrund der Abgabe der Übereinstimmungsbescheinigung einer Sachwalterhaftung nach den §§ 311 Abs. 2, Abs. 3, 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB unterliegt.
35
Nach den Grundsätzen der Sachwalterhaftung auf der Grundlage der §§ 311 Abs. 2, Abs. 3 BGB können auch solche Personen, die nicht unmittelbar Vertragspartei geworden sind, einer Schadensersatzhaftung nach den §§ 241 Abs. 2, 280 Abs. 1 BGB unterfallen, wenn sie in besonderem Maße persönliches Vertrauen in Anspruch genommen haben und dadurch einem Beteiligten eine zusätzliche, gerade von ihnen persönlich ausgehende Gewähr für Bestand und Erfüllung des in Aussicht genommenen Rechtsgeschäfts geboten haben (siehe BGH, Urteil vom 29. Januar 1997 – VIII ZR 356/95 –, juris Rn. 8, NJW 1997, 1233).
36
Diese Voraussetzungen sind aber mit der bloßen Abgabe einer Übereinstimmungsbescheinigung nicht erfüllt (vgl. OLG Braunschweig, Urteil vom 20.06.2019 – 7 U 185/18, juris Rn. 87, NJW-RR 2019, 1421; OLG Frankfurt, Beschluss vom 06.06.2019 – 19 U 44/19 –, juris Rn. 17; OLG Hamm, Urteil vom 02.09.2020 – 30 U 192/19, juris Rn. 49; OLG Koblenz, Urteil vom 06.02.2020 – 6 U 1219/19, juris Rn. 41; OLG München, Urteil vom 04.12.2019 – 3 U 2220/19, juris Rn. 33; Urteil vom 05.02.2020 – 3 U 6342/19, juris Rn. 20).
37
Wer ein Kraftfahrzeug im öffentlichen Verkehr „in Betrieb setzen will“ (Inbetriebnahme), benötigt eine Zulassung (§ 1 Abs. 1 StVG und § 3 Abs. 1 Satz 1 FZV). Die Zulassung stützt sich auf eine Betriebsgenehmigung, etwa in Form einer EG-Typgenehmigung (§ 1 Abs. 1 StVG § 3 Abs. 1 Satz 2 FZV). Unter den Bedingungen der Serienproduktion hat der Hersteller durch Qualitätssicherungsmaßnahmen die Konformität der Fließband-Produktion zu gewährleisten (Art. 5 Abs. 1 und 12 Rahmen-RL). Dies bringt er mit der „Übereinstimmungsbescheinigung“ zum Ausdruck, die zugleich die Verknüpfung zwischen Typgenehmigung und Zulassung herstellt. Eine Übereinstimmungsbescheinigung nach § 6 EG-FGV wird mithin vom Hersteller abgegeben, um die Voraussetzungen für Angebot, Veräußerung und Inverkehrbringen von Fahrzeugen nach § 27 Abs. 1 EG-FVG zu erfüllen (vgl. Führ/Below, ZUR 2018, 259 ff., beck-online).
38
Nach dem objektiven Empfängerhorizont ist der Übereinstimmungsbescheinigung, die nicht an den Endabnehmer gerichtet ist, mithin keine besondere persönliche Inanspruchnahme von Vertrauen durch den Motorenhersteller zu entnehmen, zumal keine Umstände des konkreten Falls ersichtlich sind, aufgrund derer ein über die Erfüllung der Voraussetzungen der §§ 6, 27 EG-FGV hinausgehender Erklärungsgehalt der Übereinstimmungsbescheinigung der Beklagtenpartei anzunehmen wäre.
39
Die Übereinstimmungsbescheinigung, die Serienfahrzeuge mit einer Genehmigung verbindet, enthält im Regelfall, und mithin mangels entgegenstehender Anhaltspunkte auch im vorliegenden Fall, lediglich die Aussage, dass die hergestellten Fahrzeuge mit dem genehmigten Typ übereinstimmen (vgl. Führ/Below, ZUR 2018, 259 ff., beck-online).
40
1.3. §§ 311, 241 Abs.2 BGB
41
Die Klagepartei hat im vorliegenden Fall nicht substantiiert vorgetragen, dass sie gegen die Beklagtenpartei aus dem Inverkehrbringen des Motors des Klägerfahrzeugs einen Anspruch aus §§ 311, 241 Abs.2 BGB hat.
42
Im Bereich des Erwerbs eines Kraftfahrzeugs kommt eine Prospekthaftung nämlich nicht in Betracht, da sowohl die von der Rechtsprechung entwickelte Prospekthaftung im engeren Sinne als auch die Prospekthaftung im weiteren Sinne lediglich im Zusammenhang mit einer Kapitalanlage Anwendung finden und deren Grundsätze nicht auf Kaufverträge übertragbar sind (vgl. OLG Stuttgart, Urteil vom 04. August 2020 – 16a U 197/19 –, Rn. 58, juris).
43
1.4. § 443 BGB
44
Die Klagepartei hat im vorliegenden auch nicht substantiiert vorgetragen, dass sie gegen die Beklagtenpartei einen Anspruch aus einer Garantie gemäß § 443 BGB hat.
45
Der Beigabe der EG-Übereinstimmungsbescheinigung kann nämlich jedenfalls nicht der Erklärungswert einer auf Abschluss eines Garantievertrages gerichteten Willenserklärung beigemessen werden (vgl. OLG München, Urteil vom 04. Dezember 2019 – 3 U 2943/19 –, juris).
46
2. Deliktische Schadensersatzansprüche
47
Der Klagepartei stehen gegen die Beklagtenpartei aus dem Inverkehrbringen des Motors des Klägerfahrzeugs auch keine deliktischen Ansprüche zu.
48
2.1. § 826 BGB
49
Das klägerische Vorbringen begründet zunächst keinen Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagtenpartei aus § 826 BGB.
50
Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zu § 826 BGB ist sittenwidrig ein Verhalten, das nach seinem Gesamtcharakter, der durch umfassende Würdigung von Inhalt, Beweggrund und Zweck zu ermitteln ist, gegen das Anstandsgefühl aller billig und gerecht Denkenden verstößt (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, juris Rn. 48, NJW 2004, 2668; Urteil vom 20.11.2012 – VI ZR 268/11, juris Rn. 25, WM 2012, 2377; Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, juris Rn. 8, WM 2013, 2322; Urteil vom 07.05.2019 – VI ZR 512/17, juris Rn. 8, WM 2019, 1262; Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 15, NJW 2020, 1962; Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 29, NJW 2020, 2798). Dafür genügt es nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs im Allgemeinen nicht, dass der Handelnde vertragliche Pflichten oder das Gesetz verletzt oder bei einem anderen einen Vermögensschaden hervorruft. Vielmehr muss eine besondere Verwerflichkeit seines Verhaltens hinzutreten, die sich aus dem verfolgten Ziel, den eingesetzten Mitteln, der zutage tretenden Gesinnung oder den eingetretenen Folgen ergeben kann (vgl. BGH, Urteil vom 19.07.2004 – II ZR 217/03, juris Rn. 49, NJW 2004, 2668; Urteil vom 19.10.1987 – II ZR 9/87, juris Rn. 21, BGHZ 102, 68; Urteil vom 15.10.2013 – VI ZR 124/12, juris Rn. 9, WM 2013, 2322; Urteil vom 07.05.2019 – VI ZR 512/17, juris Rn. 8, WM 2019, 1262; Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 15, NJW 2020, 1962; Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 29, NJW 2020, 2798). Sittenwidrig ist dabei, wenn ein Fahrzeughersteller basierend auf einer grundlegenden strategischen Entscheidung im eigenen Kosten- und Gewinninteresse die Motorsteuerungssoftware in von ihm hergestellten Dieselfahrzeugen bewusst und gewollt so programmiert, dass die gesetzlichen Abgasgrenzwerte nur auf dem Prüfstand eingehalten, im normalen Fahrbetrieb hingegen überschritten wurden, und damit das Kraftfahrtbundesamt zwecks Erlangung der Typengenehmigung bewusst und gewollt getäuscht und die mit dieser Software ausgestatteten Fahrzeuge unter bewusster Ausnutzung der Arglosigkeit der Erwerber, die die Einhaltung der gesetzlichen Vorgaben als selbstverständlich voraussetzten, millionenfach in den Verkehr gebracht hat (BGH, Urteil vom 17. Dezember 2020 – VI ZR 739/20 –, Rn. 19, juris).
51
Gemessen an den vorbezeichneten Voraussetzungen stellt sich nach dem klägerischen Vortrag das von der Klagepartei dargestellte Verhalten der Beklagtenpartei nicht als sittenwidrig im Sinne von § 826 BGB dar.
52
Zunächst steht der Sittenwidrigkeit des klägerseits im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen des Motors des Klägerfahrzeugs dargestellten Verhaltens der Beklagtenpartei entgegen, dass ausweislich der vom Bundesgerichtshof im Hinblick auf die Sittenwidrigkeit des Verhaltens eines Fahrzeugherstellers im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringens eines mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung versehenen Fahrzeugs herausgearbeiteten Kriterien ein sittenwidriges Verhalten eines Fahrzeugherstellers voraussetzt, dass das deutsche Kraftfahrtbundesamt im Zusammenhang mit dem der Betriebszulassung des betroffenen Fahrzeugs zugrundeliegenden Typengenehmigungsverfahren getäuscht worden ist und eine solche Täuschung des Kraftfahrtbundesamts im Zusammenhang mit der Typengenehmigung des Klägerfahrzeugs gerade nicht vorliegt.
53
Nach dem Klägervortrag liegt dem Betrieb des Klägerfahrzeugs nämlich eine von einer italienischen Behörde erteilte Typengenehmigung zu Grunde liegt, so dass das Kraftfahrtbundesamt nicht Erklärungsadressat von Erklärungen der Beklagtenpartei im Zusammenhang mit dem Erhalt der auf das Klägerfahrzeug bezogenen Typengenehmigung gewesen ist und das Kraftfahrtbundesamt überdies an die von den italienischen Zulassungsbehörden getroffene Typengenehmigung gebunden ist.
54
Mitgliedsstaaten sind nämlich auf dem wie im vorliegenden Fall betroffenen Gebiet der Abgasemissionen an eine von einem anderen Mitgliedsstaat erteilte Typengenehmigungen gebunden und daher auch nicht berechtigt, auf dem vorbezeichneten Gebiet zusätzliche nationale Bescheinigungen zu verlangen oder die Betriebsgenehmigung von weiteren Voraussetzungen abhängig zu machen (vgl. EuGH, Urteil vom 29.05.1997 – C-329/95, BeckRS 2004, 76418 Rn. 17 ff.).
55
Vor dem vorbezeichneten Hintergrund ist auch der Vortrag der Klagepartei, wonach die im Motor des Klägerfahrzeugs verbauten Abschalteinrichtung einen Mangel im Sinne des Hauptuntersuchungsrechts nach § 29 Absatz 3 Satz 1 StVZO in Verbindung mit Anlage VIII StVZO darstellen würden und die Erteilung der TÜV-Plakette versagt werden könne, unsubstantiiert und unschlüssig, da eine italienische Betriebsgenehmigung in Deutschland nach dem Urteil des EuGH vom 29.5.1997 – C-329/95, BeckRS 2004, 76418 Rn. 17 ff. auf dem Gebiet der Abgasemissionen gerade nicht von der Erfüllung weiterer Voraussetzungen abhängig gemacht werden kann.
56
Es ist von der Klagepartei auch nicht substantiiert vorgetragen worden, dass bei einem mit einer italienischen Typengenehmigung versehenen Fahrzeug wegen des Vorliegens gemäß Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO Nr. 715/2007 unzulässiger Abschalteinrichtungen in Deutschland die Erteilung der TÜV-Plakette versagt worden ist oder eine Stilllegung eines solchen Fahrzeugs angedroht oder angeordnet worden ist.
57
Die von der Klagepartei diesbezüglich auszugsweise zitierte Rechtsprechung von Verwaltungsgerichten betrifft nämlich lediglich Typengenehmigungen aus Großbritannien und lässt überdies keine substantielle Auseinandersetzung mit der vorbezeichneten Rechtsprechung des EuGH erkennen.
58
Eine Strategieentscheidung der Beklagtenpartei dergestalt, im eigenen Kosten- und Gewinninteresse durch bewusste und gewollte Täuschung der italienischen Typengenehmigungsbehörde systematisch, langjährig und in großem Umfang Fahrzeuge mit Motoren mit unzulässiger Abschalteinrichtung in den Verkehr zu bringen, ist im vorliegenden Fall – ungeachtet der Frage ihrer Relevanz für die Begründung einer Sittenwidrigkeit nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch – von der Klagepartei jedenfalls nicht substantiiert vorgetragen worden.
59
Vielmehr indiziert der Klägervortrag mit dem dortigen allgemeinen Hinweis auf ein von der EU-Kommission im Hinblick auf italienische Typengenehmigungen angestrengtes, gegen den EU-Mitgliedsstaat Italien gerichtetes Vertragsverletzungsverfahren eine weite Auslegung der italienischen Typengenehmigungsbehörden im Hinblick auf die nach Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO Nr. 715/2007 ausnahmsweise zulässigen Abschalteinrichtungen.
60
Die weite Auslegung und damit eine im Vergleich zum Kraftfahrtbundesamt großzügigere Annahme von zulässigen Abschalteinrichtungen durch die italienischen Behörden wird auch durch den Schlussantrag der Generalanwältin beim EuGH vom 30.04.2020 im Verfahren C-693/18 indiziert, wonach die von der italienischen Regierung vertretene weite Auslegung der Ausnahmetatbestände des Art. 5 Abs. 2 S. 2 VO Nr. 715/2007 im Hinblick auf die Ziele der Verordnung Nr. 715/2007 und insbesondere jenes des Umweltschutzes und der Verbesserung der Luftqualität innerhalb der Union keineswegs zu rechtfertigen sei (“Meines Erachtens ist daher die weite Auslegung der italienischen Regierung zurückzuweisen, wonach der Begriff „Beschädigung“ derart ausgedehnt werden müsse, dass er die Abnutzung, den Effizienzverlust oder den Wertverlust des Fahrzeugs aufgrund des Verschleißes und der allmählichen Verschmutzung seines Motors erfasse“; EuGH, Schlussanträge des Generalanwalts/der Generalanwältin vom 30.04.2020, C-693/18, Celex-Nr. 62018CC0693).
61
Eine Sittenwidrigkeit der Beklagtenpartei im Zusammenhang mit dem Inverkehrbringen des Motors des Klägerfahrzeugs lässt sich auch nicht daraus herleiten, dass nach der Entscheidung des EuGH in der Rechtssache C-693/18 vom 17.12.2020 nunmehr eine enge Auslegung der im Hinblick auf die Zulässigkeit von Abschalteinrichtungen in Art. 5 Abs. 2 lit a der VO (EG) 715/2007 getroffenen Regelungen rechtsverbindlich festgestellt worden ist (“Folglich ist eine die Wirkung des Emissionskontrollsystems verringernde Abschalteinrichtung gemäß Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 zulässig, wenn sie es ermöglicht, den Motor vor plötzlichen und außergewöhnlichen Schäden zu schützen. (…) Da Art. 5 Abs. 2 Buchst. a der Verordnung Nr. 715/2007 eine Ausnahme vom Verbot der Verwendung von Abschalteinrichtungen darstellt, die die Wirkung von Emissionskontrollsystemen verringern, ist er eng auszulegen“; EuGH Urt. v. 17.12.2020 – C-693/18, BeckRS 2020, 35477, beck-online).
62
Es ist nämlich nicht ersichtlich, dass die Entscheidung des EuGH vom 17.12.2020 im Verfahren C-693/18 konkrete Auswirkungen auf die Typengenehmigung des Klägerfahrzeugs hat.
63
Die Klagepartei hat nämlich nicht substantiiert dargelegt, dass in Bezug auf das Klägerfahrzeug eine Entziehung der Typengenehmigung droht. Bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung ist auch nicht vorgetragen worden, dass in Bezug auf das Klägerfahrzeug ein Rückruf erfolgt ist oder die Klagepartei in Bezug auf die Motorkonfiguration des Klägerfahrzeugs zur Durchführung eines Software-Updates aufgefordert worden ist.
64
Vielmehr hat die Klagepartei im Schriftsatz vom 2020 dargelegt, dass die zuständige Typengenehmigungsbehörde in Italien nichts unternehme und weder die Typengenehmigung ändere noch einen Rückruf anordne und die Europäische Kommission am 17.05.2017 beschlossen habe, ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Italien einzuleiten, weil das Land seine Verpflichtungen im Rahmen der EU-Typgenehmigungsvorschrift für Kraftfahrzeuge im Fall der Beklagtenpartei nicht eingehalten hat.
65
Die Einleitung eines – nach dem Vortrag der Klagepartei im Schriftsatz vom 2021 bislang nicht abgeschlossenen – Vertragsverletzungsverfahrens auf EU-Ebene ist aber nicht dazu geeignet, in irgendeiner Weise den Vorwurf vorsätzlichen sittenwidrigen Verhaltens der Beklagtenpartei nach dem deutschen Bürgerlichen Gesetzbuch zu begründen.
66
Vielmehr stellt sich die im vorliegenden Fall maßgebliche Streitfrage, nämlich die Auslegung der italienischen Typengenehmigungsbehörde im Hinblick auf die Zulässigkeit respektive Unzulässigkeit von Abschalteinrichtungen vor dem Hintergrund der in Art. 5 Absatz 2 VO (EG) Nr. 715/2007 statuierten Voraussetzungen primär als Streitfrage um die von Italien als einem EU-Mitgliedsstaat zu bewerkstelligende ordnungsgemäße Umsetzung und Anwendung von EU-Recht dar, deren Beantwortung und Implikationen einem – wie im vorliegenden Fall – vor einem deutschen Gericht zwischen einer natürlichen Person und einer juristischen Person geführten zivilrechtlichen Streitigkeit wegen der nach dem EU-Recht geltenden Warenverkehrsfreiheit (Art. 34 AEUV) letztlich enthoben ist.
67
2.2. § 823 Absatz 2 BGB
68
Die Klagepartei kann auch nicht aus dem Inverkehrbringen des Motors des Klägerfahrzeugs mit Aussicht auf Erfolg einen Schadensersatzanspruch gegen die Beklagtenpartei aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit einer Verletzungen der §§ 6, 27 EG-FGV bzw. des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 geltend machen.
69
2.2.1. §§ 6, 27 EG-FGV
70
In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist zunächst geklärt, dass es sich bei den §§ 6, 27 EG-FGV nicht um Schutzgesetze im Sinne des § 823 Abs. 2 BGB handelt, die einen Käufer vor dem Erwerb eines nicht der Typgenehmigung entsprechenden Fahrzeugs schützen sollen (siehe BGH, Urteil vom 25.05.2020 – VI ZR 252/19, juris Rn. 76, NJW 2020, 1962; Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 16, NJW 2020, 2798).
71
2.2.2. Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007
72
Ebenso hat der Bundesgerichtshof auch in Bezug auf die Regelungen des Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 entschieden, dass das Interesse des Erwerbers eines Fahrzeugs, nicht zur Eingehung einer ungewollten Verbindlichkeit veranlasst zu werden, offensichtlich nicht im Aufgabenbereich dieser Bestimmung liegt, so dass dieser Regelung nicht die Natur eines Schutzgesetzes zukommt. Es bedarf dabei im vorbezeichneten Zusammenhang auch nicht der Durchführung eines Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV zur Klärung der Frage, ob Art. 5 VO (EG) Nr. 715/2007 dahingehend auszulegen ist, dass dieser Norm eine solche individualschützende Funktion zukommt. Vielmehr ist die Rechtslage insoweit von vornherein eindeutig, so dass es nach den Grundsätzen des „acte clair“ einer Vorlage an den EuGH nicht bedarf (vgl. BGH, Urteil vom 30.07.2020 – VI ZR 5/20, juris Rn. 16, NJW 2020, 2798).
73
2.2.3. Art. 4 VO 715/2007/EG
74
Ein Anspruch der Klagepartei folgt schließlich auch nicht aus § 823 Abs. 2 BGB i.V.m. Art. 4 VO 715/2007/EG. Nach Art. 4 Abs. 2 VO 715/2007/EG hat der Hersteller sicherzustellen, dass die Typgenehmigungsverfahren zur Überprüfung der Übereinstimmung der Produktion, der Dauerhaltbarkeit der emissionsmindernden Einrichtungen und der Übereinstimmung in Betrieb befindlicher Fahrzeuge beachtet werden. Es fehlt jedoch ebenfalls an jeglichen Anhaltspunkten dafür, dass die Verordnung dem Schutz des wirtschaftlichen Selbstbestimmungsrechts des einzelnen Fahrzeugerwerbers dienen könnte, sodass auch eine Vorlage an den Gerichtshof der Europäischen Union zu unterbleiben hat (OLG Karlsruhe, Urteil vom 30. Oktober 2020 – 17 U 296/19 –, Rn. 56, juris).
75
2.2.4. § 263 StGB
76
Es ist im vorliegenden Fall auch kein Anspruch der Klagepartei gegen die Beklagtenpartei aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 31 BGB gegeben.
77
Eine Haftung der Beklagtenpartei gegenüber der Klagepartei aus §§ 831 Abs. 1 Satz 1, 826 BGB scheidet im vorliegenden Fall unter Bezugnahme auf die unter Ziffer 2.1 genannten Gründe jedenfalls deshalb aus, da in Bezug auf den Motor des Klägerfahrzeugs die Bewertungen und Einschätzungen der italienischen Typengenehmigungsbehörde maßgeblich sind und die Klagepartei im vorliegenden Fall nicht substantiiert vorgetragen hat, dass die italienischen Typengenehmigungsbehörden im Zusammenhang mit der Erteilung der Typengenehmigung für den klägerischen Fahrzeugtyp seitens der Beklagtenpartei getäuscht worden sind.
78
Eine Haftung der Beklagtenpartei gegenüber der Klagepartei scheitert also im Ergebnis daran, dass sowohl der objektiv erkennbaren italienischen EG-Typengenehmigung des Klägerfahrzeugs als auch der hierauf bezogenen Übereinstimmungsbescheinigung bei objektiver Betrachtung lediglich der Erklärungswert beigemessen werden kann, dass in Bezug auf das Klägerfahrzeug die von den italienischen Behörden aufgestellten materiellen Voraussetzungen für die Erteilung der EG-Typgenehmigung erfüllt worden sind und im vorliegenden Fall keine greifbaren Anhaltspunkte dafür bestehen, dass diese durch die Motorkonfiguration des Klägerfahrzeugs nicht erfüllt worden sind und auch weiterhin werden.
79
Im vorbezeichneten Zusammenhang ist wiederum insbesondere zu berücksichtigen, dass die von der Klagepartei nicht näher bezeichnete Typengenehmigungsbehörde in Italien bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung in Bezug auf die Typengenehmigung für den klägerischen Fahrzeugtyp keine Änderung vorgenommen hat und mithin in Bezug auf das Klägerfahrzeug weder ein Rückruf noch eine Aufforderung zur Durchführung eines auf die Konfiguration des klägerischen Motortyps bezogenen Software-Updates vorliegt. Auf die entsprechenden Ausführungen unter Ziffer 2.1, die für den Anspruch aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 263 StGB, § 31 BGB entsprechend gelten, wird verwiesen.
80
2.2.5. § 16 UWG
81
Die Klagepartei hat gegen die Beklagtenpartei aus dem verfahrensgegenständlichen Fahrzeugkauf auch keinen Anspruch aus § 823 Absatz 2 BGB in Verbindung mit § 16 UWG.
82
Die Klagepartei hat im vorliegenden Fall nämlich nicht konkret und damit nicht substantiiert dargelegt, dass die Beklagtenpartei in der Absicht, den Anschein eines besonders günstigen Angebots hervorzurufen, in öffentlichen Bekanntmachungen oder in Mittelungen, die für einen größeren Kreis von Personen bestimmt sind, durch irreführende Angaben irreführend geworben hat.
83
Nach den Vorstellungen des Täters muss die Entscheidung des Adressaten für das Erwerbsgeschäft von dem angepriesenen besonderen Vorteil, der tatsächlich nicht gegeben ist, beeinflusst werden (Hart-Bavendamm/Henning-Bodewig/Dreyer, UWG, 3. Aufl., § 16, Rn. 31, 32; für § 4 UWG aF auch BGHSt 27, 293 – 295, zit. nach juris, Rn. 6, 7). (LG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2017 – 11 O 3829/16 (115) –, Rn. 23 – 71, juris).
84
Falls die Beklagtenpartei im vorliegenden Fall tatsächlich in Werbeunterlagen in Bezug auf den Motortyp des Klägerfahrzeugs falsche Informationen verbreitet haben sollte, würde mit der Angabe bestimmter Leistungswerte unter Einhaltung der entsprechenden Euro-Norm jedenfalls kein besonderer Vorteil des Klägerfahrzeugs angepriesen worden sein, da die Grenzwerte schließlich alle vergleichbaren Fahrzeuge am Markt einhalten mussten, um die Typgenehmigung zu erlangen (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2017 – 11 O 3829/16 (115) –, Rn. 23 – 71, juris).
85
2.2.6. § 4 Nr. 11 UWG
86
Die Klagepartei hat gegen die Beklagtenpartei auch keinen Anspruch aus § 823 Abs. 2 BGB in Verbindung mit § 4 Nr. 11 UWG in der Fassung vom 03.03.2010 (im Folgenden § 4 Nr.11 UWG a.F.).
87
Es ist bereits fraglich, ob § 4 Nr.11 UWG a.F. überhaupt ein Schutzgesetz im Sinne des § 823 Abs.2 BGB darstellt (vgl. LG Braunschweig, Urteil vom 26. Juni 2017 – 11 O 3829/16 (115) –, Rn. 23 – 71, juris).
88
Jedenfalls hat die Beklagtenpartei hier nicht gegen Vorschriften verstoßen, deren Einhaltung § 4 Nr.11 a.F. schützte.
89
§§ 1, 4, 5 Pkw-EnVKV gebieten lediglich, dass die im Typgenehmigungsverfahren erzielten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte zu nennen sind (vgl. Begriffsbestimmungen in § 2 Nr.5, Nr.6 Pkw-EnVKV).
90
Die Klagepartei hat im vorliegenden Fall jedenfalls nicht konkret und damit nicht substantiiert vorgetragen, dass die von der Beklagtenpartei in Bezug auf den Motortyp des Klägerfahrzeugs genannten Kraftstoffverbrauchs- und Emissionswerte von der Beklagtenpartei im vor den italienischen Typengenehmigungsbehörden durchgeführten Typgenehmigungsverfahren nicht erzielt worden sind.
91
2.3. Anspruch aus § 831 BGB
92
Mangels nach den vorbezeichneten Ausführungen erfüllter deliktischer Haftungstatbestände vermag auch der klägerische Verweis auf die Regelung des § 831 BGB den Klageantrag nicht zu begründen.
93
3. Weitere Anspruchsgrundlagen
94
Andere als die vorbezeichneten Anspruchsgrundlagen für den klägerseits gegen die Beklagtenpartei verfolgten Schadensersatzanspruch sind im vorliegenden Fall nicht ersichtlich.
III.
95
Der Inhalt der nicht nachgelassenen Schriftsätze der Klagepartei vom 2021 (Bl. d.A.), vom 2021 (Bl. d.A.), vom 2021 (Bl. d.A.) und vom 2021 (Bl. d.A.) und der … AG vom 2021 (Bl. d.A.) wurde bei der Entscheidung nicht berücksichtigt, da es sich hierbei um verspätetes Vorbringen nach Schluss der mündlichen Verhandlung handelt. Vor dem Hintergrund des Inhalts der vorbezeichneten Schriftsätze war auch keine Wiedereröffnung der Verhandlung gemäß § 156 ZPO angezeigt.
IV.
96
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 709 S. 2 ZPO und die Streitwertfestsetzung auf § 48 Abs. 1 GKG, 3 ZPO.
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