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Bundesregierung will stärker gegen betrügerische Genossenschaften vorgehen

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Bürger lieben Genossenschaften, weil sie damit Stabilität, Heimatverbundenheit und Effizienz verbinden. Einkaufsgenossenschaften, Agrargenossenschaften, Raiffeisenkassen und Volksbanken sowie Wohnungsbaugenossenschaften genießen eine besonders guten Ruf.

Noch, muss man allerdings sagen.

Genossenschaften als Vehikel für Betrügereien

Denn mittlerweile haben auch so manche „clevere“ Kaufleute die Genossenschaften als Vehikel für unsaubere Geschäfte entdeckt, wie z.B. bei der AVG Altersvorsorgegenossenschaft eG. Das Problem haben die Regierung und die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) auf dem Schirm und seit einigen Jahren im Blick.

Reines Geldsammeln war und ist unzulässig nach dem Genossenschaftsrecht

„Mit der Einhaltung der Förderungszwecke von Wohnungsgenossenschaften befasst sich die Bundesregierung in ihrer Antwort (19/14254) auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke (19/13719). Darin heißt es unter anderem, bereits nach geltender Rechtslage sei der Vorstand der Genossenschaft verpflichtet, den genossenschaftlichen Förderzweck einzuhalten. Derzeit würden aufgrund einiger auch durch die Medien bekannt gewordenen Fälle von Genossenschaften, die womöglich keinen zulässigen Förderzweck verfolgen, weitere Gesetzesänderungen geprüft.“

Genossenschaften, die keine Leistungen für Genossen erbringen, sondern nur Geld einsammeln und Zahlungen in der Zukunft versprechen, waren noch nie erlaubt. Es handelt sich hierbei eindeutig um einen Missbrauch der Genossenschaftsidee. In der Vergangenheit konnten sich allerdings einige Genossenschaften tarnen, weshalb nun die Aufsicht gestärkt und die BaFin informiert werden soll.

Der Bundesrat hat hierzu einen Gesetzentwurf eingebracht (BR-Bundestagsdrucksache 244/19), mit dem unter anderem die Information der BaFin über mögliche Verstöße von Genossenschaften gegen das Kapitalanlagegesetzbuch oder gegen das Vermögensanlagengesetz verbessert werden soll. Die Bundesregierung verweist auf ihre Stellungnahme zu dem Gesetzentwurf (19/11467; verbraucherschutzforum.berlin berichtete im Sommer 2019), dass die darin enthaltenen Vorschläge allein nicht ausreichten, um unseriöse Kapitalanlage-Genossenschaften wirksam zu verhindern. Die Prüfung eigener weitergehende Vorschläge sei derzeit innerhalb der Bundesregierung noch nicht abgeschlossen.

Einschätzung der Redaktion

Wir raten aufgrund der Marktbeobachtung allen Verbrauchern zur Vorsicht. Genossenschaften sind als Vehikel für unseriöse Geldeinsammelpraktiken zur Zeit leider in Mode. Maßstäbe für eine Bewertung der Genossenschaft dürfen nicht Zinsversprechen oder schöne Internetseiten sein, sondern das Alter einer Genossenschaft sowie dessen Verwurzelung in einer Region oder Idee. Achten Sie darauf! Unproblematisch sind in den meisten Fällen deshalb alte Wohnungsbaugenossenschaften und ähnliches.

Es droht nun eine Rückabwicklungswelle, falls die BaFin sich manche Konstruktionen ausführlicher anschaut, sowie eine Insolvenzwelle, falls Gelder zweckwidrig verwendet werden und zurückgezahlt werden müssen. Nach unserer Ansicht ist z.B. die AVG eG in Potsdam ein typischer Fall, bei dem ein Missbrauchstatbestand vorliegt. Die Aufsicht ist zur Zeit stark und schwach zugleich: häufig sind Vorstand und Aufsichtsrat verbandelt, die Mitgliedschaftsrechte der Genossen werden kaum wahrgenommen; zudem suggeriert die Werbung, dass eine strenge staatliche Aufsicht besteht. Das stimmt aber nicht: der Staat wacht erst gerade auf, nachdem bekanntlich einhundert Jahre Ruhe herrschte.

„Betrüger und Vermittler“ seien gewarnt! Nur weil der Staat noch nicht eingegriffen hat, gilt nicht der Grundsatz, dass alles so in Ordnung sei (siehe unser Beitrag Aurimentum – Ein Fall für die Bafin?)

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