Start Justiz Landgericht Kiel: Beschluss gegen NORTRUST Goessler & Hacker GmbH Steuerberatungsgesellschaft u.a.

Landgericht Kiel: Beschluss gegen NORTRUST Goessler & Hacker GmbH Steuerberatungsgesellschaft u.a.

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Landgericht Kiel

Beschluss

In dem Rechtsstreit

Kerstin Teubner, Eisenacherstraße 20, 96486 Lautertal

– Klägerin –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte TILP Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, Einhornstraße 21, 72138 Kirchentellinsfurt, Gz.: 10009/18 KU/KU

gegen

1)

NORTRUST Goessler & Hacker GmbH Steuerberatungsgesellschaft, vertreten durch d. Geschäftsführer Ivo Goessler und Katrin Hacker, Bleichenbrücke 9, 20354 Hamburg

– Beklagte –

2)

KSH Fund Verwaltungsgesellschaft mbH, vertreten durch d. Geschäftsführer Christoph Georg Heyke, Große Bleichen 35, 20354 Hamburg

– Beklagte –

3)

KSH Capital Partners AG, vertreten durch d. Vorstand Christoph Georg Heyke, Yorckstraße 10, 24105 Kiel

– Beklagte –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte D&H Dahm GmbH Rechtsanwaltsgesellschaft Steuerberatungsgesellschaft, ABC-Straße 15, 20354 Hamburg

hat die 12. Zivilkammer des Landgerichts Kiel durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht Müller, die Richterin am Landgericht Arp und die Richterin Dr. Borrmann am 25.06.2019 beschlossen:

Dem Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgericht werden gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterbescheids folgende Feststellungsziele vorgelegt:

Es wird festgestellt, dass der Verkaufsprospekt über eine Beteiligung an der KSG Energy Fund II GmbH & Co. KG (nachfolgend „Fondsgesellschaft“) in der Fassung vom 16.12.2008 (nachfolgend „Verkaufsprospekt“) bzw. an der KSG Energy Fund III GmbH & Co. KG (nachfolgend „Fondsgesellschaft“) in der Fassung vom 18.07.2011 (nachfolgend „Verkaufsprospekt“) in wesentlichen Angaben unrichtig, irreführend und unvollständig ist, da

1.

die im Verkaufsprospekt gemachten Angaben hinsichtlich der Innenprovision unvollständig (unrichtig) und/oder irreführend waren

und/oder

2.

der Verkaufsprospekt nicht darüber informiert, dass ein Anleger der Fondsgesellschaft über seine Haftsumme hinaus mit seinem weiteren Vermögen haften könnte.

Gründe

I.

Die jeweiligen Kläger nehmen die jeweiligen Beklagten wegen Prospekthaftung im Zusammenhang mit Beteiligungen an dem geschlossenen Fonds „KSH Energy Fund II“ bzw. „KSH Energy Fund III“ gem. §§ 280 Abs. 1, 311 Abs. 2 BGB auf Schadensersatz in Anspruch, die Beklagten sind Gründungsgesellschaften der vorgenannten Fondsgesellschaft.

Die jeweiligen Musterverfahrensantragsteller machen geltend, dass der Verkaufsprospekt die in den Feststellungszielen genannten Fehler enthalte und der Verkaufsprospekt Grund für die Anlageentscheidung gewesen sei. Zu den in den Feststellungszielen genannten Fehlern führen sie aus, dass im Prospekt hinsichtlich der Innenprovision lediglich ausgeführt sei, dass die Anbieterin eine variable Vergütung nach dem zwischen ihr und der Fondsgesellschaft abgeschlossenen Vertriebsvertrag erhalte, jedoch nicht, unter welchen Voraussetzungen diese Vergütung ausgezahlt werde und wie sich diese berechne, da insbesondere der in Bezug genommene Vertriebsvertrag nicht veröffentlich worden sei. Zudem bestünde angesichts der Regelung, dass bei Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafterin aus der Fondsgesellschaft die Gesellschaft fortgesetzt würde, die Gefahr, dass die Kläger als Treugeber bei einer Umwandlung der GmbH & Co. KG in eine OHG über die erbrachte Beteiligungseinlage hinaus mit dem Privatvermögen haften, auch über dieses Haftungsrisiko kläre der Prospekt nicht auf. Den einzelnen Musterverfahrensanträgen liegt entsprechend der verschiedenen Fondstranchen ein Verkaufsprospekt in unterschiedlichen Fassungen (16.12.2008; 18.07.2011) zu Grunde, welche wie folgt voneinander abweichen:

Die von den Antragstellern angegriffenen Passagen zur Innenprovision lauten in dem Verkaufsprospekt in der Fassung vom 16.12.2008:

S. 15: „Die Anleger nehmen an einem Gewinn und Verlust der Fondsgesellschaft im Verhältnis ihrer Kapitalanteile von dem auf die Annahme ihres Beitritts folgenden Monat an teil. Freie Liquidität wird nach Bildung einer von der Geschäftsführung festzulegenden Liquiditätsreserve grundsätzlich in voller Höhe ausgeschüttet.“

S. 64: „Die KSH Capital Partners AG erhält im Rahmen des Vertriebsvertrages eine variable Vergütung. Diese Vergütung, die 17,5 % des jährlichen Liquiditätsausschusses im Sinne des Vertriebsvertrages ausmacht, wird ab dem Zeitpunkt bezahlt, an dem die Anleger ihre Einlage (ohne Agio) zurück erhalten haben.

S. 81 f.: „Die KSH Capital Partners AG erhält dafür eine Vergütung in Höhe von 10,0 % des aufgenommenen Kommanditkapitals (ohne Agio) zuzüglich des Agios (3,0 %). Des Weiteren erhält die KSH Capital Partners AG für Marketing- und Vertriebskoordinationsaktivitäten weitere 2,6 % Vermittlungsprovision auf die nominelle Kommanditbeteiligung. Die Vergütung versteht sich inklusive etwaig anfallender Umsatzsteuer, sofern diese anfallen sollte. Sie ist berechtigt und es ist ausdrücklich vorgesehen, dass sie als Vertriebskoordinatorin weitere Personen und Unternehme mit der Unterstützung bei der Eigenkapitalbeschaffung beauftragt. Darüber hinaus erhält die KSH Capital Partners AG eine variable Vergütung nach folgender Maßgabe: Sobald jeder Anleger einen Betrag in der Höhe erhalten hat, den sein Kapitalkonto I ausweist, erhält die KSH Capital Partners AG jährlich einen Betrag in Höhe von 17,5 % des jährlichen Liquiditätsüberschusses der Fondsgesellschaft. Der jährliche Liquiditätsüberschuss in diesen Sinne sind die Einnahmen der Fondsgesellschaft nach Abzug der Ausgaben, einschließlich der Vergütungen dieses Gesellschaftsvertrages, ohne Berücksichtigung der variablen Vergütung, abzüglich Einstellungen in die Liquiditätsreserve, zuzüglich Entnahmen aus der Liquiditätsreserve, ohne Berücksichtigung der Investitionskosten die im Investitionsplan vorgesehen sind und ohne Berücksichtigung der Eigenkapitalentnahmen und Eigenkapitaleinlagen des jeweiligen Jahres.“

In der Fassung vom 18.07.2011 lauten die entsprechenden Passagen wie folgt:

S. 10: „Die Anleger nehmen an einem Gewinn und Verlust der Fondsgesellschaft im Verhältnis ihrer Kapitalanteile von dem auf die vollständige Zahlung ihrer Kapitalanlage samt Agio folgenden Monat an teil. Freie Liquidität wird nach Bildung einer von der Geschäftsführung festzulegenden Liquiditätsreserve grundsätzlich in voller Höhe ausgeschüttet.“

S. 61:

Die KSH Capital Partners AG erhält im Rahmen des Vertriebsvertrages eine Mehrerlösvergütung in Höhe von 35 % des maßgeblichen jährlichen Liquiditätsausschusses II im Sinne des § 4 Abs. 1 des Vertriebsvertrages, erst nach dem der Anleger 12 % bezogen auf sein Festkapitalkonto I gemäß § 6 Abs. 2 Gesellschaftsvertrag der Fondsgesellschaft erhalten hat.“;

S. 87: „Für jeden vermittelten Anleger erhält die KSH Capital Partners AG eine Vergütung in Höhe von 10,0 % der Kapitaleinlage (ohne Agio) des Anlegers sowie für Marketing- und Vertriebskoordinationsaktivitäten weitere 4,5 % der Kapitaleinlage (ohne Agio). Darüber hinaus erhält die KSH Capital Partners AG das Agio in Höhe von 3,0 % der vermittelten Kapitaleinlage. Die Vergütung ist fällig mit dem rechtswirksamen Beitritt des Anlegers, der Einzahlung der Einlage und dem Ablauf des Widerrufsrechts des Anlegers ohne dass der Beitritt widerrufen wurde. Andernfalls entfällt der Provisionsanspruch. Schließlich erhält die KSG Capital Partners AG gegebenenfalls eine Mehrerlösvergütung in Höhe von 35,0 % des jährlichen Liquiditätsüberschusses, der verbleibt, nachdem die Anleger 12,0 % des jährlichen Liquiditätsüberschusses bezogen auf ihr gezeichnetes Kapital erhalten haben. Die Vergütungen enthalten etwaig anfallende Umsatzsteuer.

Die konkret angegriffene Passage des Verkaufsprospekts zur Haftung der Treugeber lautet auf S. 16 (Fassung vom 16.12.2008) bzw. auf S. 11 (Fassung vom 18.07.2011) abgesehen von einer Änderung der Satzstellung übereinstimmend wie folgt: „Die Haftung der Kommanditisten – und damit auch der Treugeber – gegenüber Dritten ist grundsätzlich auf die Höhe der im Handelsregister eingetragenen Haftsumme beschränkt; eine Nachschusspflicht ist grundsätzlich ausgeschlossen.

Die klägerische Partei behauptet, dass S. 120 des Verkaufsprospekts in der Fassung vom 16.12.2008 zur Fortsetzung der Gesellschaft bei Ausscheiden der persönlich haftenden Gesellschafterin aus der Fondsgesellschaft folgende Passage enthalte: „Beim Ausscheiden eines Gesellschafters wird die Gesellschaft von den verbleibenden Gesellschaftern fortgesetzt.“

Die hiesige klägerische Partei zeichnete als Treugeberin über eine der beklagten Parteien als Treuhandkommanditistin am 05.09.2009 eine Beteiligung an der Fondsgesellschaft KSH Energy Fund II in Höhe von 13.000,00 USD. Zur Begleichung der Zeichnungssumme musste sie einen Betrag in Höhe von 10.528,83 EUR in USD konvertieren. Seit der Zeichnung erhielt die klagende Partei Ausschüttungen in Höhe von 3.147,07 EUR.

II.

1.

Das Landgericht Kiel ist für den Erlass des Vorlagebeschlusses als Prozessgericht, bei dem der erste bekannt gemachte Musterverfahrensantrag gestellt worden ist, gem. § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig. Der Musterverfahrensantrag ist hier am 30.11.2018 gestellt worden.

Das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht ist für den Vorlagebeschluss gem. § 6 Abs. 1 S. 1, Abs. 6 KapMuG zuständig.

2.

Die Voraussetzungen für eine Vorlage an das OLG liegen vor, da nach Stellung des vorliegenden Antrags mindestens neun weitere, gleichgerichtete Anträge im Bundesanzeiger (Klageregister) veröffentlicht worden sind. Zum Zeitpunkt des Erlasses des Vorlagebeschlusses sind insgesamt neun weitere gleichgerichtete Musterverfahrensanträge bekannt gemacht worden, und zwar zu folgenden Aktenzeichen:

12 O 420/18

12 O 427/18

12 O 432/18

12 O 447/18

12 O 448/18

12 O 449/18

12 O 482/18

12 O 484/18

12 O 489/18

Dass sich die Musterverfahrensanträge auf denselben Fonds in unterschiedlichen Tranchen (II bzw. III) und dementsprechend auf einen Verkaufsprospekt in unterschiedlichen Fassungen beziehen, schadet nach Auffassung der Kammer im vorliegenden Fall nicht. Der an die Richtung der Anträge und eben nicht an identische Anträge anknüpfende Wortlaut des § 6 KapMuG legt eine weite Auslegung der „Gleichgerichtetheit“ nahe. Selbiges gilt für die in § 4 Abs. 1 KapMuG getroffene Legaldefinition, welche gleichgerichtete Musterfeststellungsanträge als „Musterfeststellungsanträge, deren Feststellungsziel den gleichen zugrunde liegenden Lebenssachverhalt betrifft“, definiert. Was den genannten Lebenssachverhalt im Sinne des KapMuG ausmacht, ist nicht abschließend geklärt (so Gängel/Huth/Gansel, 4. Auflage, § 4 KapMuG Rn. 15), und wegen der Besonderheiten der Prospekthaftung nicht deckungsgleich mit dem entsprechenden Begriff nach der ZPO. Da bei der Prospekthaftung unter Umständen wegen der Klammerwirkung einer entsprechenden Beratung sogar verschiedene Dokumente zu derselben Kapitalanlage für die Beurteilung der Voraussetzung der Anspruchsgrundlage heranzuziehen sind und infolgedessen als derselbe Lebenssachverhalt zu werten sind (vgl. Gängel/Huth/Gansel, 4. Auflage, § 4 KapMuG Rn. 15), ist dasselbe Dokument in unterschiedlichen, nur geringfügig abgeänderten Fassungen erst recht als ein einheitlicher Lebenssachverhalt im Sinne der Prospekthaftung zu werten. Etwas anderes „kann“ zwar unter Berücksichtigung der zeitlichen Komponente gelten, wenn ein Fondsprodukt in verschiedenen Tranchen aufgelegt wird (vgl. Gängel/Huth/Gansel, 4. Auflage, § 4 KapMuG Rn. 16). Mit Blick auf den Sinn und Zweck des Musterverfahrensantrags und der darauffolgenden Aussetzung all jener Verfahren, deren Entscheidung von den geltend gemachten Feststellungszielen mit hinreichender Wahrscheinlichkeit abhängt (vgl. § 8 KapMuG), hindert dies vorliegend aber nicht die Annahme von gleichgerichteten Musterfeststellungsanträgen. Der Zweck des KapMuG ist auf die Verfahrensbündelung gerichtet (vgl. BT-Drs. 15/5695, S. 1): Statt eines gesonderten Sachverständigengutachtens in jedem einzelnen Verfahren soll ein Gutachten für alle gleichgerichteten Verfahren ein einheitliches Ergebnis liefern. So wird eine deutliche Entlastung der erstinstanzlichen Gerichte durch Vermeidung mehrfacher Beweiserhebungen angestrebt (vgl. Gängel/Huth/Gansel, 4. Auflage, § 8 KapMuG Rn. 3 unter Verweis auf OLG München, Beschluss vom 10.12.2008 – 5 W 2622/08). Demzufolge könnten unterschiedliche Fassungen des grundsätzlich selben Verkaufsprospekts dann nicht das erforderliche Quorum abbilden, wenn die für die Bewertung der Feststellungsanträge maßgeblichen Passagen derart voneinander abweichen, dass ein einheitliches Sachverständigengutachten nicht mehr sinnvoll erschiene.

Die hier zu Grunde liegenden Feststellungsanträge richten sich inhaltlich gegen dieselben gerügten Unvollständigkeiten bzw. Unrichtigkeiten, sind also auf dasselbe Gläubigerinteresse gerichtet. Dass der Wortlaut in Bezug auf die Innenprovision in der neueren Fassung (KSH Energy Fund III) verändert worden ist, berührt nicht die Kritik der Antragsteller, dass der von dem Prospekt in Bezug genommene Vertriebsvertrag nicht veröffentlich worden ist. In Bezug auf die Haftung der Treugeber weichen die verschiedenen Versionen sogar nicht einmal voneinander ab. Ein einheitliches Sachverständigengutachten zu derselben Rechtsproblematik erscheint deshalb trotz der unterschiedlichen Prospektfassungen und der verschiedenen Fondstranchen sinnvoll, zumal es dem Sachverständigen bei entsprechender Anweisung auch möglich ist, in seinem Gutachten zwischen den beiden unterschiedlichen Fassungen zu differenzieren, sofern dies für seine Bewertung entscheidend sein sollte.

3.

Die Musterverfahrensanträge sind statthaft, denn die geltend gemachten Ansprüche fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG. Nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG sind Ansprüche wegen der Verwendung einer falschen oder irreführenden öffentlichen Kapitalmarktinformation musterverfahrensfähig.

Die Antragsteller werfen den Beklagten mit ihren Klagen als Pflichtverletzung vor, dass die Beklagten als Gründungsgesellschafter und die jeweilige Beklagte zu 1) zudem als Treuhandkommanditistin trotz entsprechender Aufklärungspflichten nicht über die mit den Feststellungsanträgen aufgegriffenen Unvollständigkeiten bzw. Unrichtigkeiten des Verkaufsprospekts aufklärten. Diese Feststellungsziele sind mit hinreichender Wahrscheinlichkeit entscheidungserheblich, weil ein fehlerhafter Prospekt Grundlage eines Anspruchs des Klägers gegen die Beklagte sein könnte.

4.

Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG.

 

Müller Arp Dr. Borrmann

 

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