Start Justiz Kapitalmusterverfahren gegen Steinhoff International Holdings N.V.

Kapitalmusterverfahren gegen Steinhoff International Holdings N.V.

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Landgericht Frankfurt am Main
2. Zivilkammer

Frankfurt am Main, 16.05.2019

Aktenzeichen: 2-02 OH 3/19

Es wird gebeten, bei allen Eingaben das vorstehende Aktenzeichen anzugeben

Beschluss

In dem Kapitalmusterverfahren

gegen

Steinhoff International Holdings N.V., vertreten durch Raad van Bestuur (Vorstand), Herengracht 466, NL 1017 CA Amsterdam – Niederlande,

Beklagte

Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Linklaters LLP
Taunusanlage 8, 60329 Frankfurt am Main,
Geschäftszeichen: L-270666 HRT/eys

hat die 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt am Main durch die Richterin am Landgericht Dr. Urban als Einzelrichterin am 16.05.2019 beschlossen:

Dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main werden folgend Feststellungsziele zum Zwecke eines Musterentscheids nach § 6 Abs. 1 KapMuG vorgelegt:

1.

Der Kursdifferenzschaden pro Steinhoff-Aktie (ISIN NL0011375019) für jeden Handelstag ab dem 1. März 2016 bis zum 5. Dezember 2017 beläuft sich auf 80 Prozent des jeweiligen Erwerbskurses der Aktie.

2.

Die Konzernabschlüsse der Steinhoff International Holdings Limited der Jahre 2013, 2014 und 2015 waren bis zum 05.12.2017 falsch.

3.

Der Prospekt der Steinhoff International Holdings N.V. vom 19.11.2015 war falsch, weil er die Konzernabschlüsse 2013, 2014 und 2015 der Steinhoff International Holdings Limited beinhaltete.

4.

Die Beklagte hat gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. (in der Fassung vor dem 03.07.2016) sowie gegen Art. 17 MAR verstoßen, indem sie es unterlassen hat, am 07.12.2015 sowie an jedem Folgetag bis zum 05.12.2017 die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass die geprüften Konzernabschlüsse der Steinhoff International Holdings Limited (SIHL) für die Jahre 2013, 2014 und 2015 falsch sind.

5.

Die Beklagte hat gegen Art. 17 MAR verstoßen, indem sie es bis zum 05.12.2017 unterlassen hat, die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass der geprüfte Konzernabschluss der Steinhoff International Holdings N.V. für das Jahr 2016 falsch ist.

Im Übrigen wird der Antrag nach § 6 Abs. 5 S. 1 KapMuG zurückgewiesen.

Lebenssachverhalt:

Die Beklagte ist eine niederländische Aktiengesellschaft, die seit dem 07.12.2015 unter der ISIN NL 0011375019 im Prime Standard an der Frankfurter Wertpapierbörse notiert. Die Klageparteien sind Aktionäre der Beklagten und begehren von der Beklagten Schadensersatz wegen unterlassener rechtzeitiger Information des Kapitalmarktes, wegen fehlerhafter Information des Kapitalmarktes, wegen fehlerhafter Finanzberichterstattung und wegen sittenwidriger Schädigung.

Gründe

1.

Das Landgericht Frankfurt am Main, 2. Zivilkammer, ist für den Vorlagebeschluss nach § 6 Abs. 2 KapMuG zuständig.

Die Zuständigkeit des Landgerichts Frankfurt folgt aus Art. 7 Ziffer 2 EuGVVO, da die Beklagte an der Frankfurter Wertpapierbörse gelistet ist und sich eine Beeinflussung des Marktpreises der Aktie durch etwaige Verletzungen von Bilanzierungs- und Informationspflichten an der Börse in Frankfurt realisiert haben kann.

Die Zuständigkeit der 2. Zivilkammer des Landgerichts Frankfurt ist begründet, weil in dem Verfahren 2-02 O 324/17 der erste Musterverfahrensantrag am 27.03.2018 gestellt und am 23.10.2018 die Bekanntmachung im Bundesanzeiger unter der Rubrik „Klageregister nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz“ (Klageregister) beschlossen wurde.

2.

Es ist gemäß § 6 Abs. 1 S. 1 KapMuG durch Vorlagebeschluss eine Entscheidung des OLG Frankfurt im tenorierten Umfang herbeizuführen, weil innerhalb von 6 Monaten nach der ersten Bekanntmachung eines Musterverfahrensantrags in dem Verfahren 2-02 O 324/17 mindestens neun weitere gleichgerichtete Musterverfahrensanträge bekannt gemacht wurden. Dabei handelt es sich am Landgericht Frankfurt um die folgenden Verfahren:

2-18 O 302/18
2-21 O 362/18
2-25 O 344/18
2-02 O 198/18
2-25 O 343/18
2-04 O 350/18
2-18 O 239/18
2-04 O 351/18
2-25 O 35/19
2-25 O 34/19

Soweit die nunmehr vorgelegten Feststellungziele 1 und 3 in den einzelnen Musterverfahrensanträgen nicht wortlautidentisch sind, ist dies unschädlich, weil Voraussetzung der Vorlage nach § 6 KapMuG nicht der gleiche Wortlaut der Feststellungsziele, sondern die Gleichgerichtetheit der Musterverfahrensanträge ist. Die im Verfahren 2-02 O 324/17 bezeichneten Feststellungziele, die vorliegend unter Ziffer 1 und Ziffer 3 vorgelegt werden, bleiben inhaltlich hinter den in den Verfahren 2-18 O 302/18, 2-21 O 362/18, 2-25 O 344/18, 2-25 O 35/19, 2-02 O 198/18, 2-25 O 34/19, 2-25 O 343/18, 2-04 O 350/18, 2-18 O 239/18 und 2-04 O 351/18 insoweit einheitlich bezeichneten Feststellungzielen zurück. Die Musterverfahrensanträge mit den weitergehenden Feststellungszielen sind gleichwohl den nunmehr vorgelegten Feststellungszielen 1 und 3 gleichgerichtet im Sinne des § 6 Abs. 1 KapMuG.

Im Übrigen war der Musterverfahrensantrag nach § 6 Abs. 5 S. 1 KapMuG zurückzuweisen, soweit im Verfahren 2-02 O 324/17 auch beantragt wurde,

festzustellen, dass die Beklagte gegen § 15 Abs. 1 Satz 1 WpHG a.F. (in der Fassung vor dem 03.07.2016) sowie gegen Art. 7 MAR verstoßen hat, indem sie es unterlassen hat, am 1. März 2016 sowie an jedem Folgetag bis zum 5. Dezember 2017 die Öffentlichkeit darüber zu informieren, dass sie am 29. Februar 2016 aufgrund einer fehlerhaften Bilanzierung falsche Bilanzzahlen veröffentlicht hat.

Seit der Bekanntmachung des Antrags sind innerhalb von 6 Monaten nicht neun weitere gleichgerichtete Anträge bekannt gemacht worden. Die weiteren bekannt gemachten Musterverfahrensanträge enthalten dieses Feststellungsziel nicht.

 

Dr. Urban

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