Start Verbraucherschutz „Dynamic Pricing“

„Dynamic Pricing“

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Einheitspreise gehören beim Online-Shopping längst der Vergangenheit an. Welche Preise Ihnen online angezeigt werden, kann von vielen Faktoren abhängen. So können Zeitpunkt des Kaufs, Ihr verwendetes Endgerät oder Ihr Wohnort dazu führen, dass Ihnen in ein und demselben Online-Shop unterschiedliche Preise angezeigt werden.

Individualisierte Preise sind die Ausnahme

Darüber wie und in welchem Umfang Online-Händler dynamische oder individualisierte Preise einsetzen, gab es bisher nur wenig gesicherte Erkenntnisse. Um das zu ändern, haben die Marktwächter-Experten der Verbraucherzentrale Brandenburg Preise von 16 deutschen Online-Händlern, Amazon und Händlern des Amazon-Marktplatzes untersucht – mit überraschendem Ergebnis: Die wenigsten Online-Händler wenden eine individualisierte Preisdifferenzierung an. Gründe für Verunsicherung gibt es dennoch.

Im Fokus der aktuellen Untersuchung stand die Individualisierung der Preise nach kundenbasierten Parametern wie dem jeweiligen Endgerät oder dem Standort. Um herauszufinden, ob Kunden zur gleichen Zeit im gleichen Online-Shop für das identische Produkt unterschiedliche Preise erhalten, haben die Marktwächter Preise von 1.554 Artikeln bei 16 Online-Händlern, Amazon und mehr als 2.000 Händlern des Amazon-Marktplatzes vom 31. Januar bis 6. September 2018 auf fünf Endgeräten ausgewertet.

Endgerät und Standort können Preis beeinflussen

Lediglich bei zwei Online-Händlern ließ sich eine Preisdifferenzierung nach Standort feststellen. Einen systematischen Preisvorteil für einen der untersuchten Standorte kam nicht heraus. Mal profitierte der Eine, mal der Andere.

In Hinblick auf eine Individualisierung der Preise nach Endgeräten gab es hingegen durchaus Unterscheide. So zeigen verschiedene Endgeräte in einem Zeitraum von 20 Minuten bei einem deutlichen Anteil der untersuchten Produkte unterschiedliche Preise an – in der Kategorie Spielzeug sogar bei mehr als der Hälfte (61 %). Diese Preisunterschiede lassen sich jedoch auf andere Ursachen zurückführen: Werden Preise nahezu minütlich geändert, ist es kaum mehr möglich, zu unterscheiden, ob es sich um hoch dynamische oder individualisierte Preisdifferenzierung handelt.

Zudem stellen mobile Geräte Artikelinformationen meist stark verkürzt dar. Nicht immer ist so ersichtlich, für welche spezifische Modellvariante der angezeigte Preis gilt. Es entsteht der Eindruck unterschiedlicher Preise für das vermeintlich gleiche Produkt.

Dynamic Pricing: Preissprünge innerhalb kürzester Zeit

In einer vorherigen Untersuchung haben die Marktwächter unterschiedliche Online Preise im Zeitverlauf genauer unter die Lupe genommen. Hierfür wurden 34 Tage lang die Preise ausgewählter Händler beobachtet. Das Ergebnis: Im Extrem wurde der Preis für ein und dasselbe Produkt in dieser Zeit bis zu 32 Mal geändert. Mehr als jedes dritte untersuchte Produkt war innerhalb der beobachteten 34 Tage Preisschwankungen ausgesetzt und knapp zwei Drittel der variierten Preise änderten sich bis zu drei Mal, 36 Prozent sogar vier- bis 15 Mal.

Bei der Höhe der Preisanpassungen ergaben sich ebenfalls große Unterschiede: Rund ein Drittel der Preise wurde teils mehr als verdoppelt. Im Falle eines Handys von Mediamarkt lagen im selben Shop ganze 220 Euro zwischen dem niedrigsten und dem höchsten angebotenen Preis.

Der Zeitpunkt macht den Unterschied

Ob Abend oder Morgen – entscheidend für den angezeigten Preis ist auch der Zeitpunkt: Beim Online-Händler ATU waren im Untersuchungszeitraum Autobatterien oder Reifen jeweils am Vormittag teils bis zu 30 Prozent teurer als am Nachmittag zuvor. Bei den Versandapotheken DocMorris und Sanicare gingen an einzelnen Tagen Preissenkungen mit Preiserhöhungen anderer Artikel einher.

Unsere Tipps zum Umgang mit Dynamic Pricing

  • Es empfiehlt sich generell, Preise online aufmerksam zu beobachten. Wie die Untersuchung zeigt, vor allem auch zu unterschiedlichen Tageszeiten.
  • Gerade bei größeren, teuren Anschaffungen kann sich ein Preisvergleich über einen längeren Zeitraum rentieren. Hierfür können sich auch Vergleichsportale eignen.
  • Bestellen Sie zusätzlich zu heruntergesetzten Produkten noch weitere Artikel, sollten Sie besonders aufpassen.
  • Weitere Tipps rund um das Thema Online-Handel haben wir hier für Sie zusammengestellt.

Anderer Käufer, anderer Preis

Welcher Preis Ihnen online angezeigt wird, kann über das Dynamic Pricing hinaus punktuell auch von Faktoren wie Ihrem individuellen Surfverhalten, dem verwendeten Endgerät oder Ihrem Wohnort abhängen. Um zu verhindern, dass Sie deswegen drauf zahlen müssen, können diese Tipps helfen:

  • Schauen Sie sich einen Artikel mehrfach an, signalisiert das dem Händler ein Kaufinteresse. Das kann möglicherweise dazu führen, dass Ihnen ein höherer Preis angezeigt wird. Gucken Sie sich deswegen – gerade bei teuren Produkten – dasselbe Angebot auch mit einem anderen Browser an. Wichtig ist dabei, dass beim Zweitbrowser keine Cookies gespeichert sind, die ebenfalls zu unterschiedlichen Preisen führen können. Über die Einstellungen können Sie die Cookies in Ihrem Browser löschen.
  • Stöbern Sie in Online-Shops nicht im eingeloggten Zustand, sondern melden Sie sich im Idealfall erst an der Kasse an. Als angemeldeter Nutzer kann der Online-Händler Ihre Kaufvorlieben problemlos analysieren und Ihre Preise dementsprechend anpassen.
  • Wenn Sie mit dem Smartphone oder Tablet einkaufen, vergleichen Sie den Preis noch einmal über den Browser am PC oder Laptop. Unterschiedliche Preisansichten können häufig auch vom verwendeten Endgerät abhängen.
  • Mit einem VPN-Dienst (Virtual Private Network) können Sie diese Art der individualisierten Preissetzung umgehen und Ihre IP-Adresse verbergen bzw. ändern: Ein VPN verschlüsselt Ihre Internetverbindung. So bleiben Ihre Daten (z.B. Ihr Standort) geheim.

Unterschiedliche Preise mindern Vertrauen

Die Verbraucherzentralen kritisieren die Experimente der Online-Händler: Die fehlende Preis-Transparenz im Netz lässt das Vertrauen der Kunden schwinden. Am Ende könnte sich der Online-Handel mit seinen Preisexperimenten so selbst schaden. Denn Preis-Studien zeigen: Fast ein Drittel der Kunden empfindet einen Händler, der seine Preise ständig ändert, als weniger zuverlässig und kauft beim nächsten Mal mitunter woanders.

Allerdings können sich Preisschwankungen zukünftig durch eine verstärkte automatisierte dynamische Preissetzung sogar noch intensivieren. Dann müssen Verbraucher – ähnlich wie Börsenhändler – fallende und steigende Preise noch intensiver in den Blick nehmen, was den Zeitaufwand für einen Preisvergleich deutlich erhöhen kann.

Quelle: vzbv

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