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Reederei Rudolf Schepers GmbH & Co. KG – Musterverfahrensantrag

620

Landgericht Hamburg

Az.: 318 OH 1/18

Beschluss

In der Sache

Musterkläger (gem. § 9 Abs. 2 KapMuG vom Hanseatischen Oberlandesgericht zu bestimmen)

– Antragsteller –

Prozessbevollmächtigte:
Rechtsanwälte Mattil & Kollegen, Thierschplatz 3, 80538 München, Gz.: 4496/17BM/BM

gegen

1)

Reederei Rudolf Schepers GmbH & Co. KG, vertreten durch d. Reederei Rudolf Schepers Beteiligungs GmbH, Bad Zwischenahn, diese vertreten d.d. Geschäftsführer Jan Schepers, Katrin Schepers, Rudolf Schepers, Hermann-Ehlers-Straße 5b, 26160 Bad Zwischenahn

– Antragsgegnerin –

2)

Katrin Schepers, Hermann-Ehlers-Straße 5b, 26160 Bad Zwischenahn

– Antragsgegnerin –

3)

Rudolf Schepers, Hermann-Ehlers-Straße 5b, 26160 Bad Zwischenahn

– Antragsgegner –

Prozessbevollmächtigte zu 1 – 3:
Rechtsanwälte Hansa Partner, Kehrwieder 11, 20457 Hamburg, Gz.: 00050-18/MG/Ki

beschließt das Landgericht Hamburg – Zivilkammer 18 – durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht Gravesande-Lewis, den Richter am Landgericht Rüther und den Richter am Amtsgericht Serra-Kleineidam am 05.09.2018:

I.

Dem Hanseatischen Oberlandesgericht werden zum Zwecke der Herbeiführung eines Musterentscheids gemäß § 6 Abs. 1 KapMuG folgende Feststellungsziele vorgelegt:

1.

Es wird festgestellt, dass der am 31. August 2007 von der HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH, aufgrund einer formwechselnden Umwandlung seit 2012 firmierend als HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, Hamburg, aufgestellte und am 19.09.2007 veröffentliche Verkaufsprospekt für den Erwerb einer Beteiligung an der Rudolf Schepers Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG MS „Johannes-S.“ in wesentlichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend ist, da in dem Verkaufsprospekt

a)

der durch Poolvertrag vom 01.01.2006 gebildete 2.500-TEU-Pool der Peter Döhle Schiffahrts-KG, in welchem das Fondsschiff MS „Johannes-S.“ nach Ablieferung im Jahre 2008 eingesetzt wurde, einen für die Anlageentscheidung wesentlichen Umstand darstellt und die in Bezug auf die Einpoolung des Fondsschiffes und den Poolvertrag enthaltenen Prospektangaben für eine ordnungsgemäße Aufklärung unzureichend sind;

b)

nicht bzw. nicht ausreichend über die tatsächliche Höhe der Einnahmen der MS „Johannes-S.“ aus dem Einnahmepool aufgeklärt wird, indem im Prospekt

aa)

nicht dargestellt wird, wie und aus welchen konkreten Faktoren sich die Einnahmen der Poolschiffe im Allgemeinen und der MS „Johannes-S.“ im Besonderen berechnen und wie diese ermittelt werden;

bb)

die relevanten Poolfaktoren, wie die Zusammensetzung des Pools, Aufnahmebedingungen für weitere Poolmitglieder, Fahrtgebiete der einzelnen Poolschiffe und die Beteiligungsschlüssel nicht bzw. nicht ausreichend dargestellt werden;

cc)

nicht die historischen Pooleinnahmen dargestellt werden, obwohl der 2.500-TEU-Pool der Peter Döhle Schiffahrts-KG, in welchem das Fondsschiff beschäftigt werden sollte, bereits bei Prospekterstellung existierte und die Daten vorlagen;

dd)

nicht über die erheblichen Einschränkungen der unternehmerischen Chancen durch die Poolmitgliedschaft aufgeklärt wird;

c)

nicht über das laut Prospekt relevante Marktumfeld und dessen Entwicklung aufgeklärt wird, indem im Prospekt,

aa)

die veröffentlichten Daten zum Verhältnis von Angebot (Transportvolumen) und Nachfrage (Flottenwachstum) derart selektiv wiedergegeben wurden, dass die Daten ohne verwertbaren Inhalt für das Angebot-Nachfrage-Verhältnis sind, obwohl die Daten, die eine Aussage zu den jeweiligen, ausschnittsweise dargestellten Segmenten ermöglicht hätten, und so ein positiveres, aber falsches Bild von der Kapitalanlage vermittelt wird;

bb)

nicht auf das bevorstehende Überangebot an Transportkapazität und damit auf eine negative Marktentwicklung hingewiesen wird, obwohl hierfür bei Prospekterstellung bereits deutliche Hinweise vorlagen;

d)

Risiken verschwiegen oder unzureichend dargestellt werden, indem im Prospekt

aa)

die kapitalmäßigen und/oder personellen Verflechtungen nicht ausreichend und bestehende Angaben lediglich im Prospekt verstreut unter der Rubrik „Vertragspartner“ durch zahlreiche Querverweise, welche einer ordnungsgemäßen Aufklärung nicht dienlich sind, dargestellt werden;

bb)

nicht ausreichend dargestellt wird, dass eine Personalunion zwischen der Geschäftsführung der Verkäufergesellschaft MS „Johannes-S.“ Verwaltungs GmbH und der Käufergesellschaft Rudolf Schepers Verwaltungs GmbH MS „Johannes S“ bestand und die Geschäftsführung durch den Kaufvertrag über das Fondsschiff vom 30.07.2007 einen Zwischengewinn von 50.000 US-Dollar generierte;

cc)

nicht darüber aufgeklärt wird, dass die Anbieterin und Prospektverantwortliche mit der Poolmanagerin vor Prospektveröffentlichung Gemeinschaftsunternehmen gegründet hatte und hierdurch Interessenskonflikte zu Lasten der Fondsgesellschaft entstehen können;

dd)

nicht über kartellrechtliche Risiken aufgeklärt wird, welche sich in Unternehmenszusammenschlüssen (Joint-Venture Unternehmen) der vormaligen HCI Capitalberatungsgesellschaft mbH und der Peter Döhle Schiffahrts-KG bei der HELLESPONT HAMMONIA GmbH & Co. KG bzw. deren Tochterunternehmen NAUTICA GmbH & Co. KG und NIKE GmbH & Co. KG und der HAMMONIA Reederei GmbH & Co. KG begründeten;

ee)

kein Risikohinweis auf die Gefahren für die wirtschaftliche Umsetzung des Fondsvorhabens im Zusammenhang mit der möglichen Ausübung von Schiffsgläubigerrechten erfolgt;

ff)

kein Risikohinweis auf die Gefahr der Herausgabe und Offenlegung von Anlegerdaten erfolgt;

gg)

das Maximalrisiko der Beteiligung irreführend und verharmlosend dargestellt wird;

hh)

unzureichend auf die eingeschränkte Fungibilität der Kommanditanteile hingewiesen wird;

ii)

kein Risikohinweis über die Folgen einer möglichen Insolvenz des persönlich haftenden Gesellschafters erfolgt;

jj)

unzureichend über den besonders und ungewöhnlich hohen Weichkostenanteil informiert wird;

kk)

kein Risikohinweis über die Haftungsrisiken gem. §§ 30, 31 GmbHG erfolgt;

e)

irreführende Angaben enthält, indem der Prospekt

aa)

den Eindruck erweckt, es handle sich bei dem im Prospekt verwendeten Begriff „Ausschüttungen“ tatsächlich um Auszahlungen, die auf Gewinnen basieren, es sich jedoch vielmehr um Entnahmen von den jeweiligen Kapitalkonten handelt, welche konzeptionsgemäß die Kommanditistenhaftung wiederaufleben lassen;

bb)

den Eindruck erweckt, dass ein Gutachter das Fondsschiff vor Übergabe gesichtet und begutachtet habe und die prospektierten Angaben zum Gutachten tatsächlich auf voraussichtlichen Schiffsdaten basierten;

cc)

den Eindruck erweckt, dass die Platzierungsgarantie tatsächlich werthaltig sei;

f)

die Darstellung der Kapitalanlage im Verkaufsprospekt nach einer Gesamtschau unvertretbar positiv erfolgt;

und daher über wesentliche Umstände nicht aufgeklärt wird und deshalb jeweils ein Prospektfehler vorliegt.

2.

Es wird festgestellt, dass die Musterbeklagten zu 1) bis 3) im Hinblick auf den Erwerb der Fondsbeteiligungen im Hinblick auf die Treugeber der Rudolf Schepers Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG MS „Johannes-S.“ im Allgemeinen und der Klagepartei im Besonderen Haftungsschuldnerinnen nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne sind.

3.

Es wird festgestellt, dass aus dem schlichten Ausbleiben von prospektierten und prognostizierten Ausschüttungen nicht auf eine Kenntnis oder eine grobfahrlässige Unkenntnis der Treugeber der Rudolf Schepers Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG MS „Johannes-S.“ im Allgemeinen und der Klagepartei im Besonderen von den unter Ziff. I. genannten Prospektfehler geschlossen werden kann.

II.

Dieser Vorlagebeschluss und das Datum seiner Veröffentlichung sind gemäß § 6 Abs. 4 KapMuG im Klageregister öffentlich bekannt zu machen.

Gründe:

I.

Die Antragsteller in den unter Ziffer II. 3. genannten Verfahren begehren die Rückabwicklung einer Beteiligung an einem geschlossenen Schiffsfonds im Wege des Schadensersatzes aus Prospekthaftung im weiteren Sinne bzw. vorvertraglicher Aufklärungspflichtverletzung von den Antragsgegnern als Gründungskommanditisten einer Publikums-KG.

Die Antragsteller zeichneten jeweils über die HCI Hanseatische Schiffstreuhand GmbH als Treuhandkommanditistin eine mittelbare Beteiligung an der Beteiligungsgesellschaft Rudolf Schepers Schiffahrtsgesellschaft mbH & Co. KG MS „Johannes-S.“.

Grundlage des Beteiligungsangebots war der am 31. August 2007 von der HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH, aufgrund einer formwechselnden Umwandlung seit 2012 firmierend als HCI Hanseatische Capitalberatungsgesellschaft mbH & Co. KG, aufgestellte und am 19.09.2007 veröffentlichte Emissionsprospekt HCI Johannes S.

Das Fondskonzept sah den Erwerb und Betrieb eines Containerschiffes der Größenklasse 2.500 TEU vor.

Gemäß § 3 Ziff. 2 des Gesellschaftsvertrages (Seite 82 des Prospekts) waren die Antragsgegner Gründungskommanditisten der Fondsgesellschaft. Die Antragsgegner zu 2) und 3) waren/sind zugleich Kommanditisten der Antragsgegnerin zu 1).

Die Antragsteller tragen vor, der Emissionsprospekt sei fehlerhaft, weil er in erheblichen Punkten unrichtig, unvollständig und irreführend sei und insbesondere die in den tenorierten Feststellungszielen aufgeführten Mängel aufweise. Sie sind der Ansicht, die Antragsgegner hafteten ihnen gegenüber nach den Grundsätzen der Prospekthaftung im weiteren Sinne.

Die Antragsteller beantragen,

den hiesigen Feststellungsantrag im Klageregister des elektronischen Bundesanzeigers gem. § 3 Abs. 2 KapMuG i.V.m. § 4 Abs. 1 KapMuG öffentlich bekannt zu machen und durch Vorlagebeschluss gem. § 3 Abs. 2 KapMuG i.V.m. § 6 Abs. 1, 4 KapMuG eine Entscheidung des Hanseatischen Oberlandesgerichts Hamburg über die Feststellungsziele herbeizuführen.

Die Antragsgegner beantragen,

den Antrag als unzulässig zu verwerfen.

Sie tragen vor, der Musterverfahrensantrag sei unzulässig. Die Antragsteller hätten nicht hinreichend dargetan, dass der Emissionsprospekt als Kapitalmarktinformation die Grundlage für ihren Beitritt zur Fondsgesellschaft gewesen sei. Sie hätten nicht belegt, dass sie die von ihnen zu erbringenden Einlagen geleistet hätten. Wegen der ihrerseits erhobenen Einrede der Verjährung fehle es an der erforderlichen Entscheidungserheblichkeit der Feststellungsanträge. Die Verjährung sei insbesondere mangels hinreichender Vollmacht nicht durch den bei der staatlich anerkannten Gütestelle Franz X. Ritter mit anwaltlichem Schriftsatz durch die jetzigen Klägervertreter eingereichten Güteantrag gehemmt worden.

II.

1.

Das Landgericht Hamburg für die Entscheidung über den Vorlagebeschluss zuständig, weil die Zuständigkeit eines anderen Gerichts gemäß § 6 Abs. 2 KapMuG nicht gegeben ist. Ausweislich des Klageregisters nach dem Kapitalanleger-Musterverfahrensgesetz sind bis zum Zeitpunkt des Vorlagebeschlusses keine gleichgerichteten Musterverfahrensanträge bekannt gemacht worden.

2.

Der Musterverfahrensantrag ist in seinen Feststellungszielen statthaft, denn die geltend gemachten Anträge fallen in den Anwendungsbereich des § 1 KapMuG. Es werden vorliegend insbesondere Schadensersatzansprüche wegen Verwendung falscher oder irreführender öffentlicher Kapitalmarktinformationen geltend gemacht, die nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 KapMuG musterverfahrensfähig sind.

Bei den Angaben aus dem Emissionsprospekt „HCI Johannes S“ handelt es sich um eine öffentliche Kapitalmarkinformation i.S.d. §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 2 KapMuG.

3.

Die Kammer hat gemäß § 3 Abs. 4 KapMuG von der gemäß § 3 Abs. 2 KapMuG grundsätzlich vorgesehenen öffentlichen Bekanntmachung der einzelnen Musterverfahrensanträge im Klageregister abgesehen, weil die Voraussetzungen für eine Vorlage an das Hanseatische Oberlandesgericht nach § 6 Abs. 1 Satz 1 KapMuG bereits vorliegen.

Es liegen bei der Kammer mindestens 17 anhängige Verfahren mit gleichgerichteten Musterverfahrensanträgen mit folgenden Aktenzeichen vor:

318 O 39/18 (zuerst anhängiger Musterfeststellungsantrag)

318 O 40/18

318 O 41/18

318 O 42/18

318 O 43/18

318 O 44/18

318 O 45/18

318 O 46/18

318 O 51/18

318 O 57/18

318 O 103/18

318 O 144/18

318 O 146/18

318 O 147/18

318 O 150/18

318 O 151/18

318 O 153/18

4.

Die Musterverfahrensanträge sind mit ihren geltend gemachten Feststellungszielen zulässig, denn die Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten hängt von den Feststellungszielen ab (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 KapMuG).

a)

Die Feststellungsziele zu Ziffer I. des Tenors sind nach Auffassung der Kammer nicht zu beanstanden.

Insbesondere ist das Feststellungsziel der Haftung der Antragsgegner wegen Verletzung ihrer Aufklärungspflicht nach Ansicht der Kammer nicht zu beanstanden. Es betrifft die Frage, ob sie für Prospekthaftungsansprüche im weiteren Sinne haftbar gemacht werden können, was zulässig ist.

b)

Die Entscheidung der zugrunde liegenden Rechtsstreitigkeiten ist von den geltend gemachten Feststellungszielen abhängig.

Die Antragsgegner können sich nicht mit Erfolg darauf berufen, dass dies nicht der Fall sei, weil nicht hinreichend dargetan worden sei, dass der Emissionsprospekt überhaupt die Grundlage für den Beitritt zu Fondsgesellschaft gewesen sei. Die Antragsteller haben unter Beweisantritt vorgetragen, dass der Prospekt den Anlagevermittlern/Beratern

jedenfalls als Arbeitsgrundlage gedient habe. Dies wäre ausreichend (vgl. BGH, Urteil vom 17.04.2018 – II ZR 265/16, Rn. 23 ff., zitiert nach juris). Zudem sind die Antragsgegner dem nicht in erheblicher Weise entgegengetreten.

Die Antragsgegner können sich auch nicht mit Erfolg darauf berufen, dass die Antragsteller nicht dargetan hätten, dass sie die von ihnen zu erbringenden Einlagen geleistet hätten. Zwar belegt das jeweils vorgelegte Zertifikat nur die Höhe der Beteiligung an der Fondsgesellschaft, nicht auch die Einzahlung der Beteiligungssumme, die zum Zeitpunkt der Erstellung der Zertifikate teilweise noch gar nicht fällig war. Die Antragsteller haben – unstreitig – Ausschüttungen erhalten, woraus sich ergibt, dass sie ihre Einlagen vollständig geleistet haben. Es wäre lebensfremd anzunehmen, dass die Fondsgesellschaft Ausschüttungen an (mittelbare) Kommanditisten leistet, wenn diese ihre Einlage noch nicht erbracht haben. Das pauschale Bestreiten der Antragsgegner ist daher unbeachtlich.

Entgegen der Auffassung der Antragsgegner sind etwaige Schadensersatzansprüche der Antragsteller auch nicht verjährt.

Die Kammer folgt der Auffassung der Antragsgegner nicht, dass aufgrund der Übersendung der Schreiben vom 29.10.2009 (Anl. B 02) und 03.12.2010 (Anl. B 03) nebst Anlagen gemäß §§ 195, 199 Abs. 1 BGB „sämtliche“ Schadensersatzansprüche verjährt seien, da der Anleger durch die Schreiben über die negative Entwicklung des Schiffsmarkts informiert worden sei (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 02.07.2015 – III ZR 149/14, Rn. 14, zitiert nach juris). Für die Beurteilung der Kenntnis beziehungsweise grob fahrlässigen Unkenntnis des Gläubigers von den seinen Anspruch begründenden Umständen gemäß § 199 Abs. 1 BGB ist jeder vorgetragene Prospektfehler getrennt zu prüfen und jede darauf beruhende Pflichtverletzung verjährungsrechtlich selbständig zu behandeln (vgl. BGH, Urteil vom 30.03.2017 – III ZR 139/15, Rn. 19, zitiert nach juris). Von welchen (behaupteten) Prospektfehlern/Pflichtverletzungen die Antragsteller durch die Schreiben vom 29.10.2009 und 03.12.2010 Kenntnis erlangt haben sollen, tragen die Antragsgegner jedoch nicht im Einzelnen vor.

Auch liegt keine kenntnisunabhängige Verjährung gemäß § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB vor. Die Verjährung ist jeweils durch den mit anwaltlichem Schriftsatz bei der staatlich anerkannten Gütestelle Franz X. Ritter eingereichten Güteantrag des jeweiligen Antragstellers wirksam gehemmt worden. Ob die den Güteanträgen beigefügte Vollmacht der Prozessvertreter der Antragsteller auch die Bevollmächtigung zur Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens gegen die Antragsgegner umfasst, bedarf keine Entscheidung. Um die Hemmungswirkung gemäß § 204 Abs. 1 Nr. 4 BGB herbeizuführen, muss der Güteantrag die formalen Anforderungen erfüllen, die von den für die Tätigkeit der jeweiligen Gütestelle maßgeblichen Verfahrensvorschriften gefordert werden (BGH, Beschluss vom 04.05.2016 – III ZR 100/15, Rn. 3, zitiert nach juris). Nach § 3 Abs. 1 S. 9 der von der staatlich anerkannten Gütestelle Franz X. Ritter erlassen Verfahrensordnung (Stand 04/2014) ist bei anwaltlicher Vertretung die schriftliche Vollmacht beizufügen oder auf Antrag nachzureichen. Die Regelung ist dahingehend auszulegen, dass bei anwaltlicher Vertretung des Antragstellers – in Parallele zu §§ 80, 88 ZPO – eine Prüfung der Vollmacht regelmäßig nur auf „Antrag des Antragsgegners“ erfolgt (BGH, a.a.O., Rn. 5 ff, zitiert nach juris). Es wäre daher unschädlich, wenn die den Güteanträgen beigefügte Vollmacht nicht auch die Bevollmächtigung zur Einleitung eines außergerichtlichen Güteverfahrens gegen die Antragsgegner beinhaltet, weil weder vorgetragen noch ersichtlich ist, dass die Antragsgegner einen Mangel der Vollmacht gegenüber der Gütestelle geltend gemacht haben. Dass die jetzigen Klägervertreter von den Antragstellern auch tatsächlich mit der Einleitung und Durchführung der Güteverfahren beauftragt wurden, haben die Antragsteller unter Beweisantritt vorgetragen.

Rechtsbehelfsbelehrung

Der Beschluss ist mit Rechtsmitteln nicht anfechtbar, § 6 Abs. 1 S. 2 KapMuG.

Gravesande-Lewis Rüther Serra-Kleineidam
Vorsitzende Richterin
am Landgericht
Richter
am Landgericht
Richter
am Amtsgericht

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