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Negativzinsen in Riester-Verträgen?

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Nach dem Ideenträger, Herrn Walter Riester wurde die Riester-Rente benannt. Herr Riester war von 1998 bis 2002 als Mitglied der SPD Bundesarbeitsminister. Bis 1998 war er „Zweiter Vorsitzender“ der IG Metall. Zwischen 1976 und 1998 war er Aufsichtsratsmitglied verschiedener deutscher Unternehmen (Bosch, Daimler-Chrysler, Thyssen, Audi u. a.)

Die Riester-Rente ist eine durch staatliche Zulagen und Abzugsmöglichkeit bei den Sonderausgaben geförderte, privat finanzierte Rente in Deutschland. Die Förderung ist durch das Altersvermögensgesetz (AVmG) 2002 eingeführt worden und im Einkommensteuergesetz  geregelt. Anlass für diese Anlageform war die Reform der gesetzlichen Rentenversicherung in den Jahren 2000 und 2001. Das Nettorentenniveau war für Beschäftigte, die über 45 Jahre Sozialversicherungsbeiträge eingezahlt hatten, von 70 % auf 67 % reduziert worden. Für diese Altersvorsorgeverträge hat sich in der Öffentlichkeit das Verb „riestern“ etabliert. Dennoch ist das Konzept „Wohnriester“ für jeden förderungsberechtigten Erwachsenen wenig bekannt. Dieses Programm kann Vorteile von mehreren zehntausend Euro für jede berechtigte Familie bringen.  Parallel werden undurchsichtige – graue – Gestaltungen für nicht relevant gehalten. Grundlagen der Riester – Versorgung

Für die Riester-Rente und „Wohnriester“ werden umfangreiche staatliche Zulagen mit gängigen Zinssätzen der Kreditinstitute verknüpft. Jedem Bürger sollte klar sein, dass auf Sparkonten gezahlte Zinsen von den durch Banken erzielten Sollzinsen bei der Vergabe von Darlehen abhängig sind. Wenn die wirtschaftlichen Voraussetzungen so günstig sind, dass Unternehmen weniger Darlehen aufnehmen, verringert sich im Sinne von Angebot und Nachfrage die Höhe der für Darlehen zu zahlenden Zinssätze. Nach Jahren nehmen linear denkende Bürger zur Kenntnis, dass ihnen die Marktwirtschaft nur dann Erfolge bringen kann, wenn sie auf der richtigen Seite stehen.

Arbeitnehmer und Sparer wollen von der Marktwirtschaft nicht abhängig sein und sind in jeder Form unternehmerisch inaktiv. Sie konnten damit rechnen, dass der Geldwert bisher erhalten blieb. In der jüngsten Zeit erhielten sie aber weniger Zinsen dafür. Vor Jahrzehnten wurde der Staat angegriffen, als die Mark jährlich an Wert verlor. Die relativ hohen Zinssätze auf Spar- und Festgeldkonten wurden gern – ohne Bewertung der Relevanz zur Sache – vereinnahmt. Nun eskaliert das Gedankenmodell der Vermögensbildung zur Altersversorgung für unternehmerisch inaktive Sparer beim „riestern“. Die Zuschüsse bleiben mit ihren Volumina gedanklich unbeachtet, wenn auf dem Konto negative Zinsen zu erkennen sind. Beim „Wohnriester“ mit jährlichen Zuschlägen von 185 Euro pro Kind (bei Geburten ab 2008 sind es 300 Euro) können neben den anderen über das Programm von Riester zu vereinnahmenden Zulagen von insgesamt fast 1000 Euro pro Jahr vereinnahmt werden.

Relevanz der negativ valutierten Zinsen

Nun dürfen in Riester-Verträgen Negativzinsen an Kunden von Banken und Sparkassen weitergeben werden. Die Rechtsprechung ist der Meinung, dass eine entsprechende Zinsanpassungsklausel, in der ein Grundzins von minus 0,5 Prozent ausgewiesen wird, die Verbraucher nicht unangemessen benachteiligt. Das Landgericht Tübingen hat in seinem Urteil in der letzten Juniwoche die klagende Verbraucherzentrale Baden-Württemberg entsetzt. Deren Antrag fand mit zwei Unterlassungsanträgen gegen die Kreissparkasse Tübingen keine Zustimmung des Gerichts. Eine Widerklage wurde abgewiesen (Az.: 4 O 220/17). Was bleibt mit grauem Hintergrund durchschaubar?

Das Urteil wird den Banken als Freifahrtschein zugerechnet, um graue Handlungen zu gestalten. Sie verlagern – marktkonform – Negativzinsen auf die Kunden. Verbraucher dürfen mit einem solchen Sparvertrag ihre Altersvorsorge nicht in Frage stellen. Als sie die Vereinbarungen abgeschlossen haben, wurde ihnen Anspruch auf jährliche Gutschrift von zwei Zinsbeträgen gewährt – einen variablen und einen festen Zins (Nauhauser, N.; Verbraucherzentrale Baden-Württemberg). Er versteht nicht, dass der variable Zins negativ sein kann und mit dem Bonuszins aufgerechnet werden darf. Das Gericht hält das für zulässig. Der Verbraucherzentrale erscheint dies nicht nachvollziehbar. Sie kündigte deshalb Berufung an (vgl. Nauhauser ebda.).

Ausgangspunkt des Streits war ein Altersvorsorgeprodukt („Vorsorge-Plus“). Die Kreissparkasse Tübingen hatte dieses Programm von 2005 bis 2015 angeboten. Viele Banken in Deutschland haben dieses ebenso angeboten. Die Verzinsung erfolgte über einen Grundzins mit variabler Anpassung. Dieser orientierte sich an Referenzzinsen der Deutschen Bundesbank. Damit waren negative Zinsen möglich. Im konkreten Streitfall wurde in einem Fall ein Grundzins von minus 0,5 Prozent ausgewiesen. Die fest vereinbarte Bonus -Komponente führte in der Gesamtheit zur positiven Verzinsung. Beim „Wohnriester“ erübrigt sich das Nachrechnen durch Zulagenhöhe ohnehin.

Annahme der Grundlagen für eine Klage

Die dargestellte Praxis in Banksparplänen sehen die Verbraucherschützer als rechtswidrig und intransparent an. Bei laufenden Sparverträgen darf die variable Verzinsung nicht ins Negative abrutschen (vgl. Nauhauser ebda.). Die Verbraucherschützer wollen verhindern, dass die Kreissparkasse einen Preisaushang vom November 2016 verwendet, in dem neben den Bonuszinsen auch variable Grundzinsen in negativer Höhe aufgeführt sind. Die Vorhalte wurden zurückgewiesen, Widerklage eingereicht. Sie verlange keine Negativzinsen von Riester -Sparern. Ihrer Ansicht nach ist die Verrechnung von Grundverzinsung mit den fest vereinbarten Bonuszinsen in Ordnung.

In der mündlichen Verhandlung schloss das Gericht Negativzinsen in Riester -Produkten nicht aus. (vgl. F.A.Z. vom 12. Mai 2018). Der Mechanismus der Zinsanpassung mit negativen Zinsen wurde hinterfragt. Die Transparenz wurde in Frage gestellt. Das Landgericht bejahte dies, da die Sparkasse in der Verknüpfung von möglichem Negativzins und positiven Zusagen davon ausgehen konnte, dass Kunden für ihre Sparverträge Überschüsse erhalten würden.  Negativzinsen für normale Sparer über nachträgliche Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen wurden vom Landgericht Reutlingen ausgeschlossen.

Das erstgenannte Urteil ist noch nicht rechtskräftig. Andere Gerichte sind nicht an die Entscheidung aus Tübingen gebunden. Es geht um individuelle Handhabungen durch eine Sparkasse. Es kommt nach wie vor auf individuelle Vereinbarungen an. Die Frage steht an, ob bei Riester –Programmen die Gesamtleistung – mit oder ohne Zulagen – zu bewerten ist oder jede Einzelleistung im Sinne der Erwartungsverhalten von Anlegern.

Klagen von Verbraucherschützern, mit denen sie Negativzinsen für Bankkunden verhindern wollen, sollten näher beleuchtet werden. Es verwundert, zu welch unterschiedlichen Schlüssen Gerichte innerhalb weniger Monate in Bezug auf negative Zinsen im Fall von Tagesgeld- und Girokonten und nun zu Riester -Sparplänen kommen können – wobei nicht in Abrede gestellt wird, dass es in den Klagen um unterschiedliche Produkte und Rechtsfragen ging.

Fazit

Es ist zu beachten, dass 16 Millionen Bürger in Deutschland ihre Altersversorgung von Riester-Verträgen begleiten lassen. Es steht dahin, ob die private Altersvorsorge reformiert werden muss, weil Verbraucherschützer ihre Aufgaben im eigenen Sinne parteilich suchen. Die Vertrauensfrage bleibt im Raum. Welche Bedingungen sollen Grundlagen sein, um negative Zinsen für Sparleistungen einzuführen oder abzulehnen? Welcher Unterschied könnte zu Festgeldangeboten mit klaglos akzeptierten Negativzinsen bestehen? Im Fall von Riester -Produkten – einer zentralen Säule der privaten Altersvorsorge – haben Anleger Interesse an Kontinuität. Die hohen Zulagen, insbesondere beim Wohnriester, werden in die Bedenken nicht einbezogen.

Die deutsche Mentalität missachtet, dass der Finanzmarkt bei durchschnittlichem Risiko solide Produkte anbietet und selbst auf – risikoreich empfundene – Aktien im DAX seit 1988 im Durchschnitt Überschüsse von ca. 8 % p. a. erzielt wurden. Die steigende Tendenz dieser Renditen seit der Realisierung von Negativzinsen für Geldkonten sei am Rande genannt. Rechtssicherheit kann – nach einer weiteren Instanz – ein Urteil des Bundesgerichtshofs (BGH) bringen. Bis dahin kann das Vertrauen – aus einem linear denkenden Teil – der o. b. 16 Millionen Bürger in Riester – Verträge in Frage gestellt sein.

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