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Mehr Verfahren zur Kindeswohlgefährdung

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Die Jugendämter in Deutschland führten im Jahr 2016 rund 136.900 Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls durch. Wie das Statistische Bundesamt (Destatis) weiter mitteilt, bedeutet dies einen Anstieg um 5,7 % gegenüber dem Vorjahr.  Von allen Verfahren bewerteten die Jugendämter 21.600 eindeutig als Kindeswohl­gefährdungen („akute Kindeswohlgefährdung“). Hier gab es gegenüber 2015 einen Anstieg um 3,7 %. Bei 24.200 Verfahren (+ 0,1 %) konnte eine Gefährdung des Kindes nicht ausgeschlossen werden („latente Kindeswohlgefährdung“). In rund 46.600 Fällen (+ 8,0 %) kamen die Fachkräfte des Jugendamtes zu dem Ergebnis, dass zwar keine Kindeswohlgefährdung, aber ein weiterer Hilfe- oder Unterstützungsbedarf vorlag. In fast ebenso vielen Fällen (44.500) wurde weder eine Kindeswohlgefährdung noch weiterer Hilfebedarf festgestellt (+ 7,8 %).

Die meisten der rund 45.800 Kinder, bei denen eine akute oder latente Kindeswohlgefährdung vorlag, wiesen Anzeichen von Vernachlässigung auf (61,1 %). In 28,4 % der Fälle wurden Anzeichen für psychische Misshandlung festgestellt. Etwas seltener (25,7 %) wiesen die Kinder Anzeichen für körperliche Misshandlung auf. Anzeichen für sexuelle Gewalt wurden in 4,4 % der Fälle von Kindeswohlgefährdung festgestellt. Mehrfachnennungen waren möglich.

Die Gefährdungseinschätzungen wurden in etwa gleich häufig für Jungen und Mädchen durchgeführt. Kleinkinder waren bei den Verfahren zur Einschätzung der Gefährdung des Kindeswohls besonders betroffen. Beinahe jedes vierte Kind (23,2 %), für das ein Verfahren durchgeführt wurde, hatte das dritte Lebensjahr noch nicht vollendet. Drei- bis fünfjährige Kinder waren wie im Vorjahr von einem Fünftel (19,4 %) der Verfahren betroffen. Kinder im Grundschulalter (6 bis 9 Jahre) waren mit 22,7 % beteiligt. Mit zunehmendem Alter nehmen die Gefährdungseinschätzungen ab: Kinder im Alter von 10 bis 13 Jahren hatten einen Anteil von 18,7 % an den Verfahren, Jugendliche (14 bis 17 Jahre) nur noch von 16,0 %.
Am häufigsten machten Polizei, Gericht oder Staatsanwaltschaft das Jugendamt auf eine mögliche Kindeswohlgefährdung aufmerksam, und zwar bei 22,1 % der Verfahren. Bei 12,9 % kamen die Hinweise von Schulen oder Kindertageseinrichtungen, bei 11,6 % waren es Bekannte oder Nachbarn. Gut jeden zehnten Hinweis (10,4 %) erhielten die Jugendämter anonym.

Hinweise
Eine Kindeswohlgefährdung liegt vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls des Kindes droht oder bereits vorliegt. Erhält das Jugendamt Kenntnis davon, so hat es im Rahmen seines Schutzauftrags Gefährdungsrisiko und Hilfebedarf unter Beteiligung verschiedener Fachkräfte abzuschätzen (§ 8a SGB VIII).

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