Flüchtlinge und Verbraucherschutz
Mit der Ankunft in Deutschland stehen Asylsuchende vor einem Berg von Fragen. Neben existentiellen Sorgen wie Unterkunft und Essen zeigt sich schnell, dass Flüchtlinge auch als Verbraucher auf Probleme stoßen. Drücker wollen ihnen Handyverträge verkaufen, Banken verweigern ihnen ein Girokonto, ihre Rechte als Patienten kennen sie nicht.
Auf dieser Seite geben wir Flüchtlingen, Betreuern und ehrenamtlichen Helfern Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Verbraucherschutz sowie praktische Tipps für den Alltag. Die Seite ist nach Häufigkeit und Bedeutung der Fragen und Themen gegliedert:
Wir werden den Artikel ständig aktualisieren und erweitern. Helfen Sie uns dabei! Sagen Sie uns, wo der Schuh drückt, welche Probleme es gibt und welche Informationen benötigt werden.
Ihnen ist ein Fall zu Ohren gekommen, wo Flüchtlingen absichtlich überteuerte Verträge angedreht wurden? Sie betreuen Flüchtlinge, die von Problemen bei der ärztlichen Versorgung berichten? Oder Sie vermieten selbst Wohnraum an Asylsuchende und sehen sich plötzlich mit einem höheren Beitrag für Ihre Wohngebäudeversicherung konfrontriert? Schreiben Sie uns! Wir beraten Sie gerne und machen auf die Missstände aufmerksam. Am besten Sie informieren uns per E-Mail an refugees@vzhh.de.
Gesundheit
Nach einer langen und strapaziösen Flucht müssen viele Asylsuchende medizinisch versorgt werden. Das Asylbewerberleistungsgesetz garantiert eine medizinische Notfallversorgung. Der Staat kommt für die ärztliche Behandlung auf.
Die Probleme: In den meisten Bundesländern können Flüchtlinge nicht einfach zum Arzt gehen. Jede Behandlung muss erst bei den zuständigen Flüchtlings- bzw. Sozialbehörden beantragt werden. Ohne Behandlungsgenehmigung wird ein Arztbesuch nicht bezahlt. Lediglich die beiden Stadtstaaten Hamburg und Bremen gehen einen anderen Weg und händigen Gesundheitskarten aus.
Gut zu wissen: Beim sogenannten Bremer Modell erhalten Flüchtlinge in Bremen und Hamburg Gesundheitskarten der AOK. Mit diesen können sie wie jeder andere auch zum Arzt gehen und sich behandeln lassen. Allerdings ist die ärztliche Versorgung an die Vorschriften des Asylbewerberleistungsgesetzes gebunden, nach dem zum Beispiel in vielen Fällen nur eine Schmerzbehandlung gewährt wird und keine weitergehende Leistung wie etwa Zahnersatz.
Welche Probleme gibt es für Flüchlinge im Gesundheitswesen, welche Fragen sind offen? Am besten Sie informieren uns per E-Mail an refugees@vzhh.de.
Telefon und Internet
Für den Kontakt in die Heimat, die Verbindung zu verstreuten Familienmitgliedern und die Orientierung in der neuen Umgebung ist ein Handy für viele Flüchtlinge lebenswichtig. Ein internetfähiges Smartphone, mit dem man surfen, Messengerdienste nutzen oder skypen kann, haben viele im Gepäck.
Die Probleme: In den vergangenen Wochen wurde mehrfach berichtet, dass Vertriebsmitarbeiter verschiedener Telefonanbieter offensichtlich das Fehlen an Wissen und Sprachkenntnis vieler Flüchtlinge ausnutzen, um ihnen unsinnige oder überteuerte Verträge aufzuschwatzen. Zwar wurden Verträge nach großem Medienecho teilweise wieder storniert. Die Fälle zeigen jedoch, dass einige Verkäufer keine Scheu haben, auf Kosten der Asylsuchenden Kasse zu machen. Lesenswert ist dazu der Artikel „Lukrativer Draht in die Heimat“ der Süddeutschen Zeitung.
Gut zu wissen: Viele ehrenamtliche Initiativen bieten bereits kostenfreies WLAN in den Notunterkünften oder in zahlreichen deutschen Innenstädten an. So ermöglichen beispielsweise die Telekom, Freifunk Dortmund, Refugees Online in München oder die Karoviertel-Initiative in Hamburg den Flüchtlingen einen Zugang ohne Vertrag. Wenn kein derartiges freies Netz zur Verfügung steht, müssen die Flüchtlinge selbst für einen Anschluss sorgen.
Prepaid-Tarife können sehr teuer sein. Feste Handyverträge sind manchmal günstiger, kommen allerdings selten oder gar nicht zustande, weil ein fester Wohnsitz und eine Aufenthaltsgenehmigung für den Abschluss notwendig sind. Wir raten deshalb zu Prepaid-Tarifen mit guten Konditionen – ohne Mindestlaufzeit, ohne Verfallen des Guthabens und mit einer hohen Datenrate. Der Produktfinder „Handytarife“ der Stiftung Warentest kann bei der Suche nach einem geeigneten Anbieter unterstützen.
Welche weiteren Probleme haben Flüchtlinge am Telekommunikationsmarkt, welche Fragen sind offen? Am besten Sie informieren uns per E-Mail an refugees@vzhh.de.
Geld und Konto
Die Sozialleistungen, die Flüchtlinge erhalten, werden zwar zumeist bar ausgezahlt, doch über kurz oder lang ist ein Konto notwendig, um am gesellschaftlichen Leben teilhaben zu können, ja überhaupt in Deutschland anzukommen, einen Job zu haben oder auch Sozialleistungen zu erhalten.
Die Probleme: Viele Kreditinstitute und Sparkassen verwehrten Asylsuchenden die Eröffnung eines Kontos. Sie akzeptierten die Duldungspapiere, die viele Flüchtlinge mit sich führen, nicht als Ausweisersatz zur Identifikation und begründeten dies damit, dass die Personalien meistens auf den eigenen Angaben des Inhabers beruhen würden und die vorgeschriebene Identitätsprüfung unter diesen Umständen nicht möglich sei. Ein Konto bekamen in der Vergangenheit daher oft nur Flüchtlinge, die einen Pass vorlegen konnten.
Anfang September 2015 hat die Finanzaufsich BaFin eine Regelung veröffentlicht, dass Banken bei der Kontoeröffnung alle Dokumente akzeptieren müssen, die den Briefkopf einer inländischen Ausländerbehörde tragen und Identitätsangaben wie Foto, Name, Geburtsort, Geburtsdatum, Staatsangehörigkeit und Anschrift auflisten. Tragen die Dokumente das Siegel der Ausländerbehörde und die Unterschrift des Ausstellers, steht der Eröffnung eines sogenannten Guthaben- oder Basiskontos nichts im Weg. Dieses kann nicht überzogen werden, aber es sind Ein- und Auszahlungen, Überweisungen oder Kartenzahlungen sowie bei einigen Instituten auch Lastschriften und Daueraufträge möglich. Flüchtlinge haben damit also Zugang zum bargeldlosen Zahlungsverkehr.
Gut zu wissen: Die EU gibt den Rechtsanspruch auf ein Girokonto vor, der auch in Deutschland umgesetzt werden soll. Bei vielen Kreditinstituten lässt die „Willkommenskultur“ aber trotz der neuen Vorgaben durch die BaFin noch zu wünschen übrig.
Laut Süddeutscher Zeitung nutzen lediglich Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen die gelockerten BaFin-Vorgaben in größerem Umfang. Privatbanken, wie zum Beispiel die Deutsche Bank hingegen entscheiden oftmals weiterhin „im Einzelfall”. Die Begründung: Weil einige von ihnen international tätig sind, müssen sie sich auch an ausländische Geldwäschegesetze halten, doch niemand garantiert ihnen, dass die deutsche Regelung auch im Ausland anerkannt wird. Da es zurzeit noch den Banken überlassen ist, die BaFin-Standards umzusetzen, muss eine Kontoeröffnung nicht unbedingt beim ersten Kreditinstitut zum Erfolg führen.
Vor allem bei Sparkassen haben Asylsuchende aber gute Chancen, ein „Konto für jedermann“ zu eröffnen. So hat die Hamburger Sparkasse (Haspa) beispielsweise schon mehrere tausend Konten auf Guthabenbasis für Flüchtlinge eingerichtet. Voraussichtlich ab Frühjahr 2016 werden Asylsuchende einen Rechtsanspruch auf ein Bankkonto haben. Dann soll das neue sogenannte Zahlungskontengesetz in Kraft treten.
Wie gehen Banken und Sparkassen aktuell mit Flüchtlingen um, welche Fragen sind bislang unbeantwortet? Am besten Sie informieren uns per E-Mail an refugees@vzhh.de.
Versicherungsschutz
Bevor Flüchtlinge einen offiziellen Status erlangen, sind sie nicht versichert. Erhalten die Asylsuchenden einen begrenzten Aufenthaltsstatus oder eine Duldung können sie sich selbst versichern.
Die Probleme: An die Verbraucherzentrale wurden bereits Fälle herangetragen, in denen Flüchtlingen von einer Bank sehr teure Haftpflichtversicherungen aufgeschwatzt wurden. Sprachbarrieren und mangelnde Kenntnis von gängigen Tarifen ermöglichen diese dreiste Abzocke.
Gut zu wissen: Eine Haftpflichtversicherung abzuschließen ist grundsätzlich sinnvoll. Preiswerte Tarife gibt es für Singles bereits ab 40 Euro pro Jahr, Familien können sich schon ab 50 Euro versichern. Alle anderen Versicherungen sind erst einmal nicht notwendig – Lebens- und Unfallversicherungen ebenso wenig wie eine Hausratversicherung, da die meisten Asylsuchenden nicht über große Vermögenswerte verfügen. Auch eine Rechtschutzversicherung für das Asylverfahren muss nicht abgeschlossen werden, da eine „aufschiebende Wirkung von Rechtsmitteln gegen eine Dublin-Überstellung ausgeschlossen ist“.
Und noch etwas: Uns wurde ein skandalöser Fall einer Wohngebäudeversicherung zugetragen, bei der die Prämie für ein Privathaus um 30 Prozent stieg, weil Flüchtlinge darin untergebracht werden sollten. Die Verbraucherzentrale Rheinland-Pfalz hat verschiedene Versicherungsunternehmen zu den Preisen für ihre Policen beim Einzug von Asylsuchenden befragt und die Umfrageergebnisse auf ihrer Internetseite veröffentlicht.
Welche Probleme haben Flüchtlinge beim Abschluss von Versicherungen, welche Fragen gibt es? Am besten Sie informieren uns per E-Mail an refugees@vzhh.de.
Lebensmittel und Ernährung
Für viele Flüchtlinge, insbesondere aus dem arabischen Raum, gelten spezielle Speisevorschriften, die eine bestimmte Herstellung von Lebensmitteln vorsehen und zum Beispiel Schweinefleisch und Alkohol ausdrücklich verbieten. Die Kennzeichnung von Lebensmitteln als „Halal“ ist für sie notwendig, um nach ihren religiösen Vorstellungen zu konsumieren.
Bislang fehlt es in Deutschland an einer standardisierten Zertifizierungsstelle. Deshalb findet man in deutschen Supermärkten leider kein einheitliches Halal-Siegel.
Wenn Sie Fragen zur Halal-Ernährungsweise haben oder Auskunft zu einem bestimmten Produkt benötigen, wenden Sie sich an unsere Ernährungsexperten. Hier finden Sie eine Übersicht unserer Beratungsangebote und -zeiten.
Welche Informationen benötigen Flüchtlinge in Sachen Lebensmittel und Ernährung, welche Fragen sind offen? Am besten Sie informieren uns per E-Mail an refugees@vzhh.de.
Quelle VZ HH