Start Allgemein Dr. Sven Tintemann: Infinus Haftungsdach vertreibt wieder – Dürfen die das?

Dr. Sven Tintemann: Infinus Haftungsdach vertreibt wieder – Dürfen die das?

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Aus mehreren Quellen ist heute zu erfahren, dass die Infinus AG Finanzdienstleistungsinstitut (kurz FDI), die auch als blaue Infinus im Volksmund bezeichnet wird, den Vertrieb wieder eröffnet hat. Dies wirft mehrere Fragen auf, die hier kurz beleuchtet werden sollen:

1) Dürfen die das?

Fakt ist, dass die Infinus FDI weiterhin eine Lizenz besitzt, als Haftungsdach ihren angebundenen Vermittlern (tied agents) die Möglichkeit zu geben, an deren Kunden Finanzinstrumente zu vermitteln.

Wenn die Lizenz, also eine Erlaubnis nach § 32 KWG noch besteht, also nicht durch Verwaltungsakt von der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht entzogen wurde, kann somit auch nach der Durchsuchung vom 05.11.2013 weiter unter dem Haftungsdach vertrieben werden.

Vermittelt werden dürfen bisher alle legalen Finanzinstrumente mit drei Ausnahmen. Diese lauten:

• Future Business KG aA (Orderschuldverschreibungen und Genussrechte)

• PROSAVUS AG (Namensgenussrechte)

• ecoConsort AG (Orderschuldverschreibungen)

Diese drei Gesellschaften aus der Infinus Gruppe (nicht zu verwechseln mit der Infinus AG FDI) haben sämtlich Insolvenzanträge gestellt. Es ist klar, dass diese Produkte daher nicht mehr angeboten werden können / dürfen.

2) Wer hat jetzt bei Infinus das Sagen?

Die berechtigte Frage ist, wer die Entscheidung, den Vertrieb wieder zu starten, gefällt hat, wo doch die wesentlichen Entscheider in Untersuchungshaft sitzen? Hierzu gibt es bisher keine Angaben. Klar ist, dass die Infinus FDI wohl schnell wieder arbeitsfähig werden will und daher bemüht ist, personell und auch wirtschaftlich den Geschäftsbetrieb fortzusetzen.

3) Haftungsdach mit eingefrorenem Vermögen / eingefrorenen Konten?

Merkwürdig ist, dass die FDI als Haftungsdach mit angeblich eingefrorenen Konten weiterhin handlungsfähig ist. Natürlich kann man sich bei dem Bänker seines Vertrauens auch neue Konten besorgen, aber mal ehrlich, wer schließt einen Vertrag mit einem Vertreter, der für ein Haftungsdache auftritt, was in den letzten Wochen derartig schlechte Presse hatte und deren Haftkapital nun dem Zugriff der Staatsanwaltschaft und ggf. Klagen wegen Falschberatung von Anlegern und deren Rechtsanwälten ausgesetzt ist. Da ist es mit der Haftung des Haftungsdachs womöglich in der Zukunft nicht so gut bestellt.

4) Was tut man jetzt als gebundener Vermittler

Gebundene Vermittler können nun wieder Finanzinstrumente an Ihre Kunden im Namen und auf Rechnung der Infinus AG FDI vermitteln. Ein Drahtseilakt, wenn man bedenkt, dass das Haftungsdach womöglich auf wackeligen Füßen steht. Hierauf muss der Kunde wahrscheinlich durch den Vertrieb hingewiesen werden.

Viele Vermittler fragen sich, ob sie die Bindung zum Haftungsdach lösen und unter ein anderes Dach schlüpfen sollten. Hier stellen sich mehrere Anschlussprobleme, die wir am Montag in einer weiteren Information erläutern werden.

Soviel erst einmal zum Vertriebsstart der Infinus AG FDI zum Wochenende.

 

V.i.S.d.P Dr. Sven Tintemann

Rechtsanwalt Fachanwalt für Bank- und Kapitalmarktrecht

Dr. Schulte und Partner Rechtsanwälte

Malteserstr. 170/172, 12277 Berlin

www.dr-schulte.de

www.tintemann.de

4 Kommentare

  1. Die Entscheidung der Behörde läßt weiteres vermuten.
    Bislang war von möglichem Anlagebetrug die Rede…ggf. 25000 Betroffenen Anleger mit bis zu 400 mio.€ Schaden.
    Wenn denn,
    die Berater wieder beraten dürfen…..wenn auch nicht die Produkte der 3 Emittenten,
    könnte ja bedeuten….keine Faslchberatung ! womöglich gar kein Anlagebetrug !
    Dann stellt sich aber auch die Frage, wem diese Aktion „genutzt“ hat ? Den Geschädigten kennen wir ja schon.
    Wir dürfen gespannt sein auf weitere „Enthüllungen“

  2. Das Haftungsdach hatte nie ein Vertriebsverbot. Die Geschäftsleitung hat nur den Vertrieb vorübergehend untersagt, da die Konten gepfändet waren und somit Provisionszahlungen für Neugeschäfte nicht gesichert werden konnten. Aus der Kontensicherung bestand auch immer das Risiko, dass zum Monatswechsel die Zahlungen nicht gesichert sind und daraus wie bei FUBUS und anderen Töchtern ein geregeltes Insolvenzverfahren eingeleitet werden müsste.

  3. Es muss getrennt werden zwischen dem Betrugsvorwurf an die verantwortlichen Vorstände, der Vermögenslage der einzelnen Gesellschaften und der Beratungshaftung. Ein Vorstand kann wegen Betruges strafbar sein, auch wenn „seine“ Gesellschaft gut da steht. Es kann auch eine Gesellschaft in Insolvenz gehen, obwohl der Vorstand strafrechtlich sich nichts hat zuschulden kommen lassen.
    Die „blaue“ Infinus hat einen Vorstand in U-Haft, ist aber noch nicht insolvent, da die Liquidität zur Auszahlung der ausstehenden Provisionen und Forderungen wohl noch ausreicht. Das heißt aber noch lange nicht, dass die Infinus FDI nicht auch insolvent werden kann, und zwar dann, wenn sie als Haftungsdach aufgrund der Falschberatung ihrer gebundenen Agenten zahlen muss, die VSH nicht übernimmt bzw. die Schadenssummen höher sind als die mögliche Deckung durch eine VSH.
    Daneben trifft es aber u. U. auch noch den Infinus-Berater aus einem separaten Beratungsvertrag mit dem Anleger neben dem Beratungsvertrag mit dem Haftungsdach. Der Infinus-Berater haftet dann auch neben dem Haftungsdach. Ob das so sein wird, wird spätestens vom BGH in einigen Jahren geklärt werden.
    Es bleibt also alles weiterhin offen. Falsche Hoffnungen sollten sich im Moment weder Berater noch Anleger machen.

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