Der Energieversorger Vattenfall hat offensichtlich bei einer großen Zahl von Kunden die Frist zur Preiserhöhung per 1. Januar 2013 verpasst. Darauf haben wir durch Pressemitteilung vom 22. November hingewiesen.Bei uns melden sich seit Mittwoch, 21. November, zahlreiche Vattenfall-Kunden, die erst an diesem Tag oder an den Folgetagen ihre Strompreiserhöhung zum 1. Januar 2013 erhalten haben. Die Frist für eine wirksame Erhöhung beträgt aber sechs Wochen. Das Erhöhungsschreiben hätte also am 20. November bei den Kunden eingehen müssen. Sonst wird nach unserer Auffassung die Preiserhöhung nicht wirksam.
Vattenfall hat uns in einem Brief mitgeteilt, dass die Absendung des Briefes am 19. November 2012 ausreiche und es auf den Zugang des Schreibens nicht ankomme. Schon durch die öffentliche Bekannmachung per Zeitungsanzeige sei dem Fristerfordernis Genüge getan.
Hierzu haben wir eine andere Rechtsauffassung. Wer hat Recht? Für diese Frage muss man zwischen Grundversorgungskunden (schätzungsweise 40 Prozent der Kunden) und Sondervertragskunden (etwa 60 Prozent) unterscheiden.
Grundversorgungsverträge
Grundversorgungskunde wird man automatisch dann, wenn man nach Hamburg zieht und nichts unternimmt, da Vattenfall der größte Stromversorger in Hamburg ist und dadurch zum Grundversorger wird. Man wird es auch dann, wenn man den Grundversorgungstarif ausdrücklich wählt. Der Grundversorgungstarif bei Vattenfall heißt „Hamburg Basis Privatstrom“. Für diese Verträge gilt § 5 Abs. 2 StromGVV. Darin heißt es: „Änderungen der Allgemeinen Preise und der ergänzenden Bedingungen werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach öffentlicher Bekanntgabe wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss. Der Grundversorger ist verpflichtet, zu den beabsichtigten Änderungen zeitgleich mit der öffentlichen Bekanntgabe eine briefliche Mitteilung an den Kunden zu versenden und die Änderungen auf seiner Internetseite zu veröffentlichen“.
Zunächst ist festzustellen, dass für die Mitteilung eine E-Mail nicht ausreicht. Brieflich heißt Brief. Was die Frist angeht, interpretieren wir diese Vorschrift so, dass den Kunden sechs Wochen vor dem gewollten Wirksamwerden der Preiserhöhung eine briefliche Mitteilung zugehen muss. Dies ergibt sich aus dem Sinn und historischen Entstehungszusammenhang der Vorschrift. Denn als es noch Strommonopole gab, verkündeten die Stromversorger die Preisänderungen allein durch Öffentliche Bekanntmachung. Mit der Liberalisierung des Strommarktes Ende der 90er Jahre sollte den Kunden dann aber der Anbieterwechsel ermöglicht werden. Daher wurde auch für Grundversorgungskunden die briefliche Mitteilung als Pflicht eingeführt. Eine solche briefliche Mitteilung hat aber nur dann Sinn, wenn der Kunde sie auch so frühzeitig erhält, dass er sich am Markt umsehen kann und ggfs. rechtzeitig zu einem neuen Versorger wechseln kann. Hat er sich diese Marktübersicht verschafft, sich ggfs. noch beraten lassen, muss er dann fristgemäß kündigen und einen Vertrag mit dem neuen Versorger schließen. Wenn Vattenfall nun sagt, ein Eintreffen des Briefes im Laufe der Woche bis zum 24. November reiche aus, hätte der Kunde eine Woche für diesen Prozess verloren. Das widerspräche dem Kerngedanken der Liberalisierung, der auch in der StromGVV zum Ausdruck kommt, nämlich dem Kunden keinerlei Hürden mehr beim Wechsel aufzubauen.
Doch selbst wenn man einmal der Vattenfall-Interpretation der Verordnung folgt, so kommt hinzu, dass die StromGVV nicht die einzige Rechtsquelle für die Frage ist. Denn die Allgemeinen Geschäftsbedingungen gelten auch für Grundversorgungskunden. In den derzeit auf der Vattenfall-Website veröffentlichten AGB für Hamburg und Berlin wird zwar der Wortlaut des § 5 Abs. 2 StromGVV übernommen. Doch kann sich der Wortlaut früherer AGB, die bei Vertragsschluss des jeweiligen Verbrauchers galten, von diesem Wortlaut unterscheiden. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, dass die AGB für Vattenfall-Kunden außerhalb Hamburgs und Berlins einen anderen Wortlaut haben. Darin (Stand: August 2012) heißt es: „Änderungen der Preise werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach brieflicher Mitteilung wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss“. Hier kommt es also unzweifelhaft auf den Zugang an. Die Vattenfall-AGB für Kunden in Hamburg und Berlin benachteiligen also die betroffenen Kunden und sind daher nach unserer Auffassung unwirksam. Selbst wenn man also der Vattenfall-Interpretation der Verordnung folgt, ergibt sich, dass es für die Wirksamkeit der Preiserhöhung auf den Zugang der Mitteilungen ankommt.
Sonderverträge
Für die Verbraucher, die einen Sondervertrag mit Vattenfall abgeschlossen haben (Hamburg Easy Privatstrom oder Hamburg Natur Privatstrom oder einen der früher anders benannten Sondervertragstarife) gilt die StromGVV nicht. In den derzeit auf der Vattenfall-Website veröffentlichten AGB für Hamburg und Berlin wird aber der Wortlaut des § 5 Abs. 2 StromGVV übernommen. Doch kann sich der Wortlaut früherer AGB, die bei Vertragsschluss des jeweiligen Verbrauchers galten, von diesem Wortlaut unterscheiden. Vor allem aber ist darauf hinzuweisen, dass die AGB für Vattenfall-Kunden außerhalb Hamburgs und Berlins einen anderen Wortlaut haben. Darin (Stand: August 2012) heißt es: „Änderungen der Preise werden jeweils zum Monatsbeginn und erst nach brieflicher Mitteilung wirksam, die mindestens sechs Wochen vor der beabsichtigten Änderung erfolgen muss“. Hier kommt es also unzweifelhaft auf den Zugang an. Die Vattenfall-AGB für Kunden in Hamburg und Berlin benachteiligen also die betroffenen Kunden und sind daher nach unserer Auffassung unwirksam. Selbst wenn man also der Vattenfall-Interpretation des Wortlauts der derzeitigen Hamburg/Berliner AGB folgt, ergibt sich, dass es für die Wirksamkeit der Preiserhöhung auf den Zugang der Mitteilungen ankommt.
Dass die Verbraucherzentrale mit ihrer Rechtsauffassung nicht allein steht, zeigt ein Beitrag der Stiftung Warentest.
Wieso die Hektik?
Wenn sich Vattenfall so sicher ist, dass die Absendung eines Briefes am 19. November und dessen Zugang im Laufe der Woche bis 24. November ausreicht, fragen wir uns, warum denn dann am 21. November nächtliche E-Mails verschickt wurden.
Ein Kunde aus Hamburg berichtet der Verbraucherzentrale per E-Mail: „Vattenfall hat mich heute Nacht per E-Mail (21.11.2012 01:44) darüber informiert und zudem ein postalisches Schreiben angekündigt“.
Eine weitere Hamburger Verbraucherin schreibt: „Am 21.11.2012 um 01:22h bekam ich eine Information per Mail von Vattenfall, dass sich auch mein Strompreis zum 01.01.2013 erhöht. Um nähere Angaben zu bekommen, wurde ich auf einen Link von Vattenfall hingewiesen um die Vertragsunterlagen einzusehen, nur leider ist der Link nicht zugänglich, da Wartungsarbeiten am Server durchzuführen sind“.
Ein Kunde aus Berlin schreibt uns: „Als Kunde im Onlinetarif ‚Berlin Easy Privatstrom‘ bin ich mit dieser eMail ebenfalls erst am 21.11. über die Preisänderung informiert worden. Delikat daran ist, dass die Informationen in dieser eMail zwar angekündigt, aber nicht beziffert werden, dies sollte ich online über meinen Nutzer-Account nachlesen können. Hier war jedoch eine Einsicht der persönlichen Vertragsdaten, sowie der entsprechenden Dokumente unter ‚Eigene Vertragsunterlagen‘ bis einschließlich 22.11. abends nicht möglich, laut Website ‚wegen Überlastung‘. Den Brief von Vattenfall mit den geänderten Preisen erhielt ich dann heute, am 23.11.“
Eine Verbraucherin aus Hamburg teilt uns mit: „Auch ich habe die Nachricht der Erhöhung für meine Privatwohnung erst am 23.11. im Briefkasten gehabt und die Mail von Vattenfall hat das Datum 22.11./00:34 h.“
Was soll also die Hektik, wenn doch alles gut ist? Für uns drängt sich der Eindruck auf, dass Vattenfall das Problem auf sich zukommen sah und durch die Versendung von E-Mails das Schlimmste verhüten wollte.
Dazu muss man wissen, dass andere Stromanbieter bereits früher ihre Erhöhungsmitteilungen verschickt hatten, Vattenfall für den Erhöhungstermin 1.1.2013 zu den spätesten gehörte. Wiederum andere Stromanbieter haben übrigens bisher nach gar nicht den Strompreis erhöht und warten offensichtlich noch ab.
Was kann man als Kunde tun?
Es gibt zwei Handlungsmöglichkeiten: Wehren oder Wechseln.
Sich wehren
Wer bei Vattenfall bleiben möchte, kann sich gegen die Preiserhöhung wehren. Dafür gibt es zwei Wege. Entweder man schreibt jetzt einen Brief an Vattenfall oder man wartet bis zur nächsten Jahresabrechnung. Wenn man jetzt einen Brief schreibt und Vattenfall dadurch aufmerksam macht, kann es passieren, dass Vattenfall sicherheitshalber eine neue Preiserhöhung schickt – fristgemäß zum 1. Februar 2013. Wahrscheinlicher ist, dass Vattenfall den Protest zurückweist. Zum Schwur kommt es dann für beide Handlungswege bei der nächsten Jahresabrechnung. Nehmen wir an, diese kommt im Juni 2013. Dann wird Vattenfall darin den alten Preis bis 31.12.2012 und den neuen Preis ab 1.1.2013 der Abrechnung zugrunde legen. Wenn man dem widersprechen möchte, muss man in diesem Moment die Gegenrechnung auf der Basis des alten Preises aufmachen und für die Nachzahlung bzw. Gutschrift seine Zahlungen entsprechend anpassen. Es ist sehr wahrscheinlich, dass Vattenfall dann nötigenfalls die aus Sicht des Unternehmens ausstehenden Beträge einfordern und ggfs. einklagen wird.
Jeder betroffene Kunde muss für sich entscheiden, ob er diesen Weg gehen möchte. Für Kunden, die diese Option wählen, ist wichtig zu wissen, dass es für die Wirksamkeit einer Preiserhöhung nicht nur darauf ankommt, ob der Energieversorger die Frist eingehalten hat, sondern auch darauf, ob die Preiserhöhung „inhaltlich“ in Ordnung war. Dazu prüfen die Gerichte, ob die Preisänderungsklausel in den AGB angemessen ist und ob die Höhe des Preises der „Billigkeit“ im Sinne des § 315 BGB entspricht. Je nach Vertragstyp gelten hier unterschiedliche rechtliche Voraussetzungen. Es handelt sich um komplizierte Rechtsfragen, die im Einzelfall zu klären sind. Daher ist jedem Verbraucher, der diesen konfliktiven Weg gehen will, zu raten, anwaltliche Hilfe zu suchen.
Wer sich für den Konfliktweg entscheidet und nicht bis zur Jahresabrechnung warten will, sondern jetzt schon an Vattenfall schreiben möchte, könnte etwa so schreiben: „Sie haben mir mit Datum vom 19. November 2012 eine Preiserhöhung zum 1.1.2013 geschickt. Ihren Brief habe ich am … erhalten. Damit haben Sie die Sechs-Wochen-Frist nicht eingehalten. Ich bestehe daher auf Beibehaltung des alten Preises ab 1.1.2013 und bitte mir, dies zu bestätigen“.
Wechseln
Wer sich nicht mit seinem gegenwärtigen Versorger verkämpfen will, hat die Möglichkeit des Wechsels. Erhält man eine Preiserhöhung – ob von Vattenfall oder anderen Stromanbietern – ist der richtige Zeitpunkt gekommen, sich nach einem neuen Anbieter umzuschauen. Denn egal, ob man einen unbefristeten oder einen noch nicht abgelaufenen befristeten Vertrag hat, bei einer Preiserhöhung hat man in jedem Fall das Recht zum Wechseln. Erst rund ein Viertel der deutschen Verbraucher haben den Stromanbieter gewechselt. Erst wenn wir eine Wechselrate wie beim Telefonmarkt haben, kommt aber der Wettbewerb richtig in Gang.
Möglich ist übrigens nicht nur den Wechsel zu einem neuen Anbieter, sondern auch der Wechsel in einen neuen Tarif bei demselben Anbieter. Das ist besonders für Grundversorgungskunden interessant. Denn nach Mitteilung der Bundesnetzagentur sind noch 43 Prozent der Kunden in Deutschland im Grundversorgungstarif. Das ist aber in der Regel der teuerste Tarif. Wenn diese Kunden sich endlich bewegen würden, sähe die Wettbewerbslage am Strommarkt anders aus.
Wann kann ich wechseln?
Bei einem unbefristeten Vertrag kann man monatlich aussteigen. Wenn man also Mitte November eine Preiserhöhung zum 1. Januar erhalten hat, kann man zum 1. Januar den Anbieter wechseln. Bei einem befristeten Vertrag hat man ein Sonderkündigungsrecht. Wenn man also einen Vertrag hat, der noch bis Mai 2013 läuft und erhält Mitte November eine Preiserhöhung, kann man per Sonderkündigung zum 1. Januar ebenfalls aus dem Vertrag aussteigen und zu einem neuen Anbieter wechseln.
Wichtig: Nicht erst kündigen und dann suchen, sondern umgekehrt: Erst den neuen Anbieter suchen und diesen dann den Vertrag beim alten Anbieter kündigen lassen.
Was ist, wenn der Wechsel nicht klappt?
Anders als in den Anfangsjahren nach der Liberalisierung des Strommarkts gibt es heute kaum noch massive Behinderungen des Wechsels, etwa durch Wechselgebühren des Altversorgers. Gleichwohl kann es durchaus zu Verzögerungen kommen. Dann sollten Sie sich umgehend an den neuen Versorger wenden und notfalls auch die Bundesnetzagentur informieren. Jedenfalls ist die Angst unbegründet, im Dunkeln zu sitzen, wenn der neue Versorger aus welchem Grunde auch immer ausfällt. Denn der Grundversorger ist gesetzlich verpflichtet, in diesem Falle Strom zu liefern. Grundversorger ist der jeweils größte Versorger am Ort, zumeist ist dies der ehemalige Monopolist – in Hamburg: Vattenfall. Sollte der – sehr seltene – Insolvenzfall des neuen Anbieters eintreten, zahlen Sie dann beim Grundversorger den Grundversorgungstarif, also den in der Regel teuersten Tarif. Da Sie aber innerhalb eines Monats wieder aus dem Grundversorgungsvertrag wechseln können, ist der Kosteneffekt für Sie nicht hoch.
Welchen Anbieter wählen?
Eine Übersicht gibt es im Internet auf verschiedenen Portalen. Erster Rat: Nicht nur auf den Preis schauen. Mit der Pleite von Teldafax sind 700.000 Kunden hereingefallen. Auch bei Anbietern, die bei den Verbraucherzentralen durch unseriöse Geschäftspraktiken aufgefallen sind oder häufig Gegenstand von Kundenbeschwerden in Internetforen sind, sollte man vorsichtig sein. So führt die Verbraucherzentrale Hamburg derzeit zwei Prozesse gegen Flexstrom wegen untergeschobener Preiserhöhungen. Mehr dazu hier.
Zweiter Rat: Keinen Anbieter nehmen, der mit Vorkasse oder Kaution arbeitet. Wenn es Probleme bei der Vertragsabwicklung gibt, hat man Geld vorgeschossen und müsste es notfalls selbst wieder einklagen.
Dritter Rat: Sich entscheiden, ob man Ökostrom oder konventionellen Strom beziehen will. Im Sinne des Klimaschutzes raten wir zu Ökostrom. Wie man einen solchen Anbieter findet, zeigen wir Ihnen hier.
Ob Protestler oder Wechsler – für alle gilt: Weniger verbrauchen!
Die konto- und klimaverträglichste Kilowattstunde ist immer noch die nicht verbrauchte. Die Energieberatung der Verbraucherzentrale bietet Energiespartipps, Listen für sparsame Haushaltsgeräte, den Verleih von Strommessgeräten zum Aufspüren von Stand-by-Verlusten und Hilfe bei komplexen Sanierungs- oder Bauvorhaben.
Telefonische energierechtliche Beratung Mo bis Do 10 bis 18 Uhr Tel. 0900 1 77 54 41 (1,80 €/Min. aus dem dt. Festnetz, mobil evtl. mehr). Terminvereinbarung für persönliche Energierechtsberatung unter termine@vzhh.de oder Tel. 24 832-107. Telefonische Energiesparberatung Mo bis Do 9.30 bis 18 Uhr, Fr 9.30 bis 16 Uhr (kostenlose Hotline, gefördert von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt).
Stand vom Samstag, 24. November 2012
Quelle:VBZ Hamburg