Die US-Notenbank Federal Reserve (Fed) hat in den vergangenen Jahren erfolgreich versucht, durch eine gezielte Zinspolitik sowohl die Inflation zu dämpfen als auch die Beschäftigung zu fördern – eine seltene Gratwanderung in der Wirtschaftspolitik. Doch mit dem Amtsantritt von Donald Trump am Montag könnten sich die Herausforderungen für die Zentralbanker drastisch verschärfen.
Trump hat angekündigt, Massenabschiebungen von Migranten und hohe Zölle auf Importe durchzusetzen – Maßnahmen, die laut Ökonomen neue Inflationsrisiken mit sich bringen könnten. Allerdings bleibt unklar, ob er diese Drohungen ernst meint oder sie lediglich als Verhandlungsstrategie nutzt. Diese Unsicherheit erschwert die Aufgabe der Fed erheblich.
„Die erhöhte Unsicherheit macht die Festlegung der Geldpolitik viel schwieriger“, erklärt Ellis Tallman, ehemaliger leitender Wirtschaftsberater der Fed von Cleveland.
Die Fed navigiert durch Unsicherheit
Die Fed beschäftigt Hunderte von Ökonomen und Analysten, die regelmäßig Wirtschaftsszenarien modellieren. Dabei erstellen sie sogenannte Baseline-Prognosen, die als Grundlage für Zinsentscheidungen dienen. Zusätzlich simulieren sie Risikoszenarien, um sich auf unwahrscheinliche, aber wirtschaftlich gravierende Ereignisse vorzubereiten.
Als Trump 2016 gewählt wurde, rechnete die Fed zunächst mit steuerlichen Entlastungen für Privatpersonen, später stellte sich jedoch heraus, dass sich Trumps Steuerpolitik stärker auf Unternehmen konzentrierte. Solche unerwarteten Änderungen zwingen die Zentralbank, ihre Modelle regelmäßig zu aktualisieren.
„Man muss bereit sein, seine Meinung zu ändern, wenn sich die Faktenlage ändert“, sagt David Wilcox, ehemaliger Leiter der Forschungsabteilung der Fed. Jerome Powell, der derzeitige Fed-Chef, habe sich als besonders geschickt erwiesen, wirtschaftspolitische Änderungen schnell zu analysieren und verständlich zu kommunizieren.
Doch diesmal ist die Lage noch komplexer: Die Bandbreite an möglichen wirtschaftlichen Szenarien unter Trump ist enorm – und das macht es schwer, verlässliche Prognosen zu erstellen.
Uneinigkeit über neue Wirtschaftsmodelle
Ein zentraler Streitpunkt innerhalb der Fed ist, wann mit der Entwicklung neuer Prognosemodelle begonnen werden sollte.
- Chris Waller, Fed-Gouverneur, erwartet Zölle, strengere Einwanderungskontrollen und eine Deregulierung der Wirtschaft. Doch es sei extrem schwer, diese Maßnahmen in konkrete Prognosen für Inflation, Arbeitslosigkeit und Wachstum zu übersetzen.
- Raphael Bostic, Chef der Atlanta-Fed, will mit neuen Wirtschaftsmodellen so lange wie möglich warten, da Trumps Politik oft kurzfristigen Änderungen unterliegt.
- Alberto Musalem, Präsident der St. Louis-Fed, hingegen plädiert für eine proaktive Herangehensweise: „Wir können nicht warten, bis sich die Unsicherheit legt.“ Seine Analysten arbeiten bereits an verschiedenen Tarifszenarien.
Jerome Powell: Vorsicht statt Spekulation
Fed-Chef Jerome Powell bleibt zurückhaltend. „Wir raten nicht, wir spekulieren nicht und wir treffen keine Annahmen“, sagte er auf einer Pressekonferenz am 7. November, wenige Tage nach Trumps Wahlsieg.
Gleichzeitig kann sich die Fed nicht einfach zurücklehnen. Zinsentscheidungen wirken oft mit Verzögerung, sodass eine zu späte Reaktion riskant wäre. Sollte die Notenbank die Zinsen weiter senken, könnte dies eine von Trumps Politik ausgelöste Inflation zusätzlich anheizen.
Ein internes Fed-Dokument vom Dezember betont die „extrem hohe Unsicherheit“ bezüglich der Auswirkungen von Trumps Wirtschaftspolitik. Zu den problematischsten Punkten zählen:
- Zölle von 20 % auf Waren aus Kanada und Mexiko
- Ein 60 %-Zoll auf chinesische Importe
- Ein 10 %-Zoll auf alle Importe weltweit
- Strenge Bedingungen für BRICS-Staaten, die sonst mit 100 % Zöllen belegt werden
Das Problem: Trump kann viele dieser Zölle ohne Zustimmung des Kongresses verhängen – und das würde zu plötzlichen wirtschaftlichen Turbulenzen führen.
Tarife und Inflation: Die große Unbekannte
Auch wenn Trump tatsächlich neue Zölle einführt, bleibt unklar, wie stark sie die US-Wirtschaft beeinflussen werden. Steven Kamin, ehemaliger Direktor der internationalen Finanzabteilung der Fed, erklärt:
„In solchen Situationen ist es zu früh, tatsächlich zu handeln – aber man muss vorbereitet sein.“
Beth Hammack, Präsidentin der Cleveland-Fed, warnt davor, dass gestaffelte Tariferhöhungen eine präzise Analyse der Inflation erschweren könnten.
„Die Signale über Inflation werden schwerer zu deuten sein“, sagte sie dem Wall Street Journal.
Fazit: Ein Balanceakt für die Fed
Die US-Notenbank steht vor einer enormen Herausforderung: Sie muss auf unklare politische Entscheidungen reagieren, die Märkte beruhigen und gleichzeitig eine stabile Geldpolitik betreiben.
Die größte Gefahr für die Fed ist nicht nur Trumps unberechenbare Wirtschaftspolitik, sondern auch die Möglichkeit, dass wirtschaftliche Schocks ohne Vorwarnung eintreten.
Ob die Fed in der Lage sein wird, ihren Kurs ohne größere Turbulenzen anzupassen, bleibt offen. Fest steht jedoch: Die kommenden Monate werden eine harte Bewährungsprobe für Jerome Powell und sein Team.