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BGH-Urteil: Unbefristetes Widerspruchsrecht bei Lebensversicherungen vor 2008

Hat ein Versicherungsunternehmen seine Kunden nicht richtig über das Widerspruchsrecht informiert, hat der Verbraucher ein zeitlich unbefristetes Widerspruchsrecht. Der Versicherer muss im Rahmen der Rückzahlung der gezahlten Prämien auch die Abschluss- und Verwaltungskosten erstatten.

Nach § 5a Versicherungs-vertragsgesetz in der bis Ende 2007 geltenden Fassung konnten Versicherungsnehmer, die einen Vertrag in den Jahren 1995 bis 2007 nach dem so genannten Policenmodell abgeschlossen hatten und dabei fehlerhaft über ihr Widerspruchsrecht informiert worden waren, höchstens ein Jahr nach Zahlung der ersten Prämie widersprechen. Im Rahmen des Policenmodells füllte der Kunde ein Antragsformular aus. Der Versicherer nahm den Antrag an, indem er dem Kunden den Versicherungsschein, die Versicherungsbedingungen sowie die übrigen Vertragsunterlagen übergab.

Waren die Unterlagen unvollständig, und fehlte vor allem ein deutlicher Hinweis auf die Widerspruchsfrist, verstoßen die Verträge nach Auffassung des Europäischen Gerichtshofs gegen geltendes europäisches Recht. Ein versteckter Hinweis im Kleingedruckten reiche nicht aus.

Was hat der BGH entschieden?

Mit Urteil vom 07. Mai 2014 (Az.: IV ZR 76/11) hatte der BGH entschieden, dass die Regelung des § 5a auf Lebens- und Rentenversicherungen sowie Zusatzversicherungen nicht anwendbar ist. Damit steht Verbrauchern, die bei Abschluss einer Lebens- oder Rentenversicherung nicht ordnungsgemäß über ihr Recht zum Widerspruch belehrt wurden, auch heute noch ein Widerspruchsrecht zu. Gleiches dürfte gelten, wenn der Versicherer nicht die Versicherungsbedingungen und weiteren Verbraucherinformationen überreicht hat.

Die Ausübung des Widerspruchsrecht hat grundsätzlich zur Folge, dass der Versicherer die gezahlten Prämien zurückerstatten muss. Über die Höhe der Rückerstattung hatte der BGH nicht entschieden, sondern diesbezüglich an das OLG Stuttgart zurückverwiesen mit der Maßgabe, dass dem klagenden Verbraucher nicht sämtliche Prämien zurückerstattet werden. In Abzug zu bringen seien die Kosten für den während der Vertragsdauer erlangten Versicherungsschutz Das OLG Stuttgart hatte nach Zurückverweisung dem Kläger aus anderen Gründen eine Rückzahlung weiterer Beiträge über den Rückkaufswert hinaus verweigert.

Nunmehr hat der BGH erstmalig mit Urteil vom 29. Juli 2015 (Az.: IV ZR 384/14 und IV ZR 448/14) in zwei weiteren Verfahren entschieden, welche Positionen bei einer Rückabwicklung nach erfolgtem Widerspruch dem Versicherungsnehmer zustehen und welche in Abzug zu bringen sind. Neben der aufgrund der Kündigung bereits erfolgten Auszahlung des Rückkaufswertes darf der Versicherer zunächst die Risikokosten für den bis zum Widerruf bestehenden Versicherungsschutz abziehen. Wurde darüber hinaus auch Kapitalertragssteuer (plus Solidaritätszuschlag) bei Auszahlung des Rückkaufswertes an das Finanzamt abgeführt, so wird auch diese als Vermögensvorteil des Versicherungsnehmers berücksichtigt und entsprechend von den zurück zu zahlenden Prämien abgezogen.

Der BGH hat zudem entschieden, dass der Versicherer nicht aber auch die Abschluss- und Verwaltungskosten in Abzug bringen darf. Gleiches gilt für erfolgte Ratenzahlungszuschläge. Ebenso hat der Versicherer die tatsächlichen aus den Prämien gezogenen Nutzungen zu erstatten.

Wie sollten Sie vorgehen?

Bevor Sie sich an Ihren Versicherer wenden, prüfen Sie, ob Sie bei Abschluss Ihres Lebens- oder Rentenversicherungsvertrages ordnungsgemäß über Ihr Widerspruchsrecht belehrt wurden und/oder die Versicherungsbedingungen und weiteren Verbraucherinformationen erhalten haben. Sollte die Prüfung ergeben, dass Sie ein Widerspruchsrecht haben, sollten Sie klären, ob eine Fortsetzung des Vertrages – sofern noch nicht gekündigt – nicht doch sinnvoll ist, weil Sie beispielsweise einen gut verzinsten Altvertrag haben.

Die Möglichkeit eines Widerspruchs haben Sie auch, wenn Sie Ihren Lebens- oder Rentenversicherungsvertrag bereits gekündigt und einen Rückkaufswert erhalten haben. Für etwaige Rückabwicklungsansprüche gilt die regelmäßige Verjährung von drei Jahren (§ 195 BGH). Sie beginnt erst mit Ende des Jahres zu laufen, in welchem der Widerspruch bzw. Rücktritt erklärt worden ist, so der BGH in einer ebenfalls im Jahr 2015 ergangenen Entscheidung (Urteil vom 08. April 2015, Az.: IV ZR 103/15).

Sofern Sie Widerspruch eingelegt und eine Prämienerstattung erhalten haben, sollten Sie kontrollieren, ob der Versicherer auch die Abschluss- und Verwaltungskosten erstattet hat. Falls nicht, sollten Sie diese unter Verweis auf die BGH-Urteile vom 29. Juli zurückfordern.

Bei der Überprüfung Ihrer Ansprüche hilft Ihnen die Versicherungsberatung Ihrer Verbraucherzentrale.

Quelle:VZ Brandenburg

 

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